Sieben Kugeln für Vater Daniil Sysojew
Nach 16 Jahren sind neue Fakten über die Ermordung des bekannten Missionars ans Licht gekommen.
Am 19. November 2009 wurde in Moskau der bekannte Missionar, Priester Daniil Sysojew, ermordet. Die offizielle Version des Mordes behauptete, sein Tod sei die Folge eines Angriffs eines radikalen Muslims aus Kirgistan gewesen, der mit den Predigten des Priesters unter den muslimischen Gemeinden Moskaus unzufrieden gewesen sei.
Im vergangenen Jahr jedoch wurden durch Interviews mit Justina Sysoeva und Dorofeja Sysoeva erschütternde Details aus ihrem Leben mit dem Stiefvater bekannt. Und vor Kurzem gelang es Istina, Einsicht in die Akten zum Mord an ihrem Vater zu erhalten. Dabei traten neue Fakten zutage.
Ein Journalist der UOJ DE führte ein Interview mit Istina Sysoeva, um Licht in diesen undurchsichtigen Fall zu bringen.
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Zugang zu den Akten
Lange Zeit hatte Justina – anders als ihre Schwester Dorofeja – keinen Status als Geschädigte. Erst 2024 wurde sie offiziell als solche anerkannt, erhielt daraufhin Zugang zu den Materialien des Strafverfahrens und begann aktiv mit deren Auswertung.
Bei der Durchsicht stieß Istina auf zahlreiche Widersprüche zwischen der offiziellen Version und den Dokumenten. Besonders aufmerksam wurde sie auf die Fotos des Leichnams, die ballistische Untersuchung und die Beschreibung der Verletzungen. Istina behauptet, ihr Vater Daniil habe mindestens sieben Schüsse sowie Messerstiche erlitten – was der Darstellung eines schnellen Mordes durch einen einzelnen Täter völlig widerspreche.
Es stellte sich heraus, dass alles eine Lüge war… Die gesamte in den Medien verbreitete Version ist eine absolute Lüge.
Sieben Kugeln im Körper von Vater Daniil
Bei der Analyse der Unterlagen fand Istina zentrale Unstimmigkeiten in der offiziellen Version. Anzahl und Richtung der Schüsse deuteten darauf hin, dass aus verschiedenen Positionen geschossen wurde. Es gebe Messerstiche, und die ballistische Expertise stimme weder mit der Anzahl der abgefeuerten Kugeln noch mit den tatsächlichen Verletzungen überein.
Auch die medizinische Dokumentation wirft Fragen auf. Justina, selbst Ärztin für Psychiatrie, erklärt:
Die medizinische Dokumentation in der Akte sieht wie eine billige Fälschung aus… offensichtlich von Personen erstellt, die keine medizinische Ausbildung haben. Hätten sie jemanden vom Fach konsultiert, wäre es vielleicht glaubwürdiger geworden.
Zudem stellte sie merkwürdige Übereinstimmungen der Verletzungen fest, die auf eine mögliche Verwechslung von Körpern hindeuten könnten:
Auf der Epitrachelion der Soutane sieht man ein Schussloch… exakt dieselbe Verletzung wird bei Strelbizkyi, dem damaligen Regenten des Chores, beschrieben… es kann nicht zwei identische Schussverletzungen geben.
Zeugen
Justina Sysoeva betont, dass gestern, am 18. November 2025, beim Gerichtsverfahren, in dem der Fall nach 16 Jahren geschlossen wurde, kaum Zeugen anwesend waren. Der Regent, auf den ebenfalls geschossen worden war und der später ins Kloster ging, weigerte sich, seine Wunden zu zeigen, und sagte laut Istina:
Ich bin ein Mönch, du musst mir aufs Wort glauben.
Seit diesem Moment, so sagt Justina, sei ihr Vertrauen in seine Aussagen verschwunden:
Von diesem Moment an glaube ich ihm nicht mehr.
Sie versuchte, alle noch lebenden Zeugen zu kontaktieren, doch fast alle verweigerten aus ihrer Sicht wahrheitsgemäße Aussagen:
Ich habe mit allen noch lebenden Zeugen gesprochen.
Stanylovskyi und gerichtliche Merkwürdigkeiten
Justina betont, dass das Gericht seine Entscheidung ohne Beweise und ohne ihre Teilnahme getroffen habe. Der Stiefvater, den sowohl Dorofeja als auch Istina der Perversion, Pädophilie und weiterer Verbrechen beschuldigen, blieb faktisch außerhalb der Reichweite des Gesetzes:
Die Richterin fällte ihre Entscheidung einfach vor aller Augen, ohne Anhörung der Parteien, ohne Beweise vorzulegen… Sie ließ weder mir noch meinem Anwalt das Wort.
Justina sieht den schnellen Abschluss des Mordfalls im Zusammenhang mit der Gefahr einer Auslieferung Stanylowskis:
Seine Komplizen wollten das Strafverfahren still und schnell schließen… In 16 Jahren wurde es nie geschlossen.
Ablauf des Mordes und medizinische Unstimmigkeiten
Justina schildert ihre Vermutung über den Ablauf der Ereignisse:
In der Kirche gibt es nur zwei Treppen: eine im Altarraum und eine an der Eingangstür. Ich vermute, dass man begann, auf ihn auf der Treppe im Altar zu schießen, als er möglicherweise zu fliehen versuchte.
Der Notarztwagen sei verspätet gerufen worden, und der Körper des Vaters sei nicht in die Intensivstation gebracht worden:
In den Unterlagen steht, er sei an einem offenen Schädel-Hirn-Trauma, akutem Blutverlust und zerfetzten Halswunden gestorben. Kein Wort über Schussverletzungen… Den Regenten brachte man ans andere Ende Moskaus. Das alles ist sehr merkwürdig.
Ritueller Charakter des Mordes
Justina hält es für möglich, dass der Mord rituellen Charakter hatte und die Handlungen der Täter symbolisch waren:
Das sind einfach kranke, unverschämte Menschen, die stolz darauf sind, dass sie ihm mit ihrem Mord die Märtyrerkrone verschafft haben… Stanilowski kam aus dem Satanismus… und dieser Mord ist irgendein satanisches Ritual.
Wie geht es weiter?
Justina betont, dass es ihr vor allem um die Wiederherstellung der Wahrheit geht:
Das Wichtigste ist, die Wahrheit festzustellen. Eine unabhängige Expertise, verlässliche Zeugenaussagen und transparente medizinische Dokumentation könnten Licht in die Ereignisse bringen.
Auf die Frage der UOJ-Journalisten, wie sie es schaffe, ihren Glauben und ihre Kraft zu bewahren, antwortete Justina:
Mein Glaube ist das Einzige, was mir geblieben ist. Auch wenn es in der Heiligen Kirche schlechte Menschen gibt, bedeutet das nicht, dass die Kirche weniger heilig, katholisch und apostolisch wird, an die ich glaube.
Nachwort
Vater Daniil Sysojew ist in der gesamten orthodoxen Welt bekannt; seine Bücher und Vorträge inspirieren viele bis heute zur missionarischen Arbeit. Als Dank für seine Mühen, seine Predigt und dafür, dass er zu Lebzeiten Hunderte Menschen zum orthodoxen Glauben führte – und Tausende nach seinem Tod –, halten wir es für richtig und notwendig, seinen Töchtern zu helfen, die Wahrheit ans Licht zu bringen und ihre Ehre zu verteidigen.