„Spirituell fühlen wir uns dem orthodoxen Osten verpflichtet, nicht dem Westen“
Weihnachtsinterview mit dem serbischen Metropoliten Irinej über Glaube, Staat und Gesellschaft in Zeiten der Krise
In seinem diesjährigen Weihnachtsinterview mit dem Magazin Pečat reflektiert Metropolit Dr. Irinej von Bačka über die spirituellen und geopolitischen Herausforderungen der Gegenwart. Angesichts weltweiter Konflikte, wirtschaftlicher Krisen und gesellschaftlicher Spaltungen betont er die Bedeutung des Glaubens als stabilisierende Kraft. Das serbisch-orthodoxe Patriarchat veröffentlichte das Interview am 29. Dezember 2025 auf seiner Webseite.
Der Metropolit erklärt, dass er als Geistlicher nicht politisch agiere, sondern stets aus der Perspektive der Kirche spreche. Dennoch nimmt er zu aktuellen Entwicklungen Stellung: Serbien solle militärische Neutralität wahren, aber kulturell und spirituell klare Orientierungen verfolgen.
Er betont die Zugehörigkeit zum orthodoxen Osten, der historische, religiöse und ethische Wurzeln biete: „Spirituell fühlen wir uns dem orthodoxen Osten verpflichtet und nicht dem modernen Westen, der sich weder in Theorie noch in Praxis vom Christentum inspirieren lässt.“ Dabei warnt er vor den Ideologien des Neoliberalismus, die zu moralischer Verflachung, Gier und einer „Krise der Werte“ geführt hätten.
Das geistliche Oberhaupt der Diözese Bačka mit Sitz in Novi Sad hebt hervor, dass die Kirche aktiv ihre Rolle als moralische und spirituelle Instanz erfülle, auch in Krisenzeiten wie nach der Tragödie am Bahnhof von Novi Sad. Sie habe nicht Partei ergriffen, sondern auf Versöhnung, Gebet und Verantwortung hingewiesen: „Nicht nur diejenigen, die direkt falsch gehandelt haben, tragen Schuld; wir alle müssen unser Handeln und unsere Verantwortung prüfen.“ Die Einheit des Volkes und die Orientierung an christlichen Werten seien zentral, politische Konflikte dürften die Kirche nicht spalten.
Er geht auch auf die jüngsten studentischen Proteste in Belgrad ein und relativiert die mediale Darstellung: Die Mehrheit der Theologiestudierenden sei fleißig und verantwortungsbewusst. Geistliche dürften sich nicht politisch instrumentalisieren lassen, sondern müssten als Seelsorger und Lehrer allen Gläubigen dienen.
Ein Priester dürfe niemanden als Feind betrachten, nur weil er eine andere politische Meinung vertrete. Versöhnung und gegenseitige Vergebung seien die Grundlage gesellschaftlicher Stabilität: „Ein Priester darf nicht öffentlich rein politische Positionen vertreten, sondern muss alle Gläubigen als Brüder und Schwestern sehen.“
Darüber hinaus berichtet Metropolit Irinej von seinem Besuch in Moskau, wo er Patriarch Kyrill und Präsident Wladimir Putin traf. Er betont die historische und spirituelle Verbundenheit zwischen Serbien und Russland und die Bedeutung der Bewahrung traditioneller Werte.
In dieser Hinsicht sieht er die Kirche als moralischen Kompass, der nicht nur das Volk führt, sondern auch den ethischen Zusammenhalt der Gesellschaft stärkt. Der Metropolit schließt mit einem Appell an die Rückkehr zu Gott als Fundament für Wahrheit, Frieden und Gemeinwohl und warnt, dass ohne diesen Rückhalt die gesellschaftliche und kulturelle Schwächung fortschreiten werde.
Die Diözese Bačka ist eine der ältesten und traditionsreichsten in Serbien und umfasst zahlreiche Gemeinden, Klöster und Bildungsinstitutionen. Metropolit Irinej gilt als führender Intellektueller der serbischen Kirche und ist bekannt für seine theologischen Schriften und Predigten. Er verbindet in seiner Arbeit die Bewahrung orthodoxer Traditionen mit sozialer Verantwortung.
Unter der Leitung von Metropolit Irinej spielt die Diözese eine bedeutende Rolle in der Vermittlung orthodoxer Werte in Gesellschaft, Kultur und Politik und wird von Gläubigen sowohl als spirituelle Heimat als auch als moralische Instanz geschätzt.
Die UOJ berichtete zuvor, dass im neuen Baptisterium des orthodoxen Kirchenzentrums München eine erste Taufe stattfand.