Erzbischof Tichon: „Die Sünde begann mit einem Festmahl und endete mit einem Mord“

Priester Maxim Judakow und der Erzbischof erinnerten in ihren Predigten in Berlin an Johannes den Täufer.
Am Festtag zum Gedenken an die Enthauptung des Propheten, Vorläufers und Täufers Johannes, am 11. September 2025, feierte Erzbischof Tichon von Ruza, Administrator der Diözese Berlin und Deutschland der Russisch-Orthodoxen Kirche (ROK), die Göttliche Liturgie in der Auferstehungskathedrale in Berlin. Darüber berichtete die Diözese auf ihrer Webseite.
Am Vorabend leitete Erzbischof Tichon die Nachtwache in der Kathedrale. Im Anschluss an die Liturgie hielt er eine erzpastorale Predigt. Zuvor hatte Priester Maxim Judakow nach dem Abendmahlsvers zu den Gläubigen gesprochen. Die beiden Ansprachen würdigten auf unterschiedliche Weise das Leben und Martyrium des heiligen Johannes des Täufers.
Priester Maxim Judakow erinnerte in seiner Predigt an das dramatische Geschehen der Enthauptung des heiligen Johannes des Täufers, das zugleich eine Anklage gegen die Welt und ein Triumph der Wahrheit sei. Johannes, der größte unter den Propheten, hatte sich nicht gescheut, dem König Herodes dessen Sünde – die unerlaubte Ehe – offen vorzuhalten. Sein Tod sei kein Scheitern, sondern ein Zeugnis: Die göttliche Wahrheit stehe über Menschenfurcht, gesellschaftlichen Druck und den Wunsch nach irdischem Wohlstand, so der Geistliche.
Die Predigt war zugleich ein Aufruf zur Selbstprüfung: Die Kirche rufe am heutigen Tag zum Fasten auf, um an die zerstörerische Kraft ungezügelter Leidenschaften und des Genusses zu erinnern – denn eben in solchem Kontext wurde das Verbrechen an Johannes dem Täufer begangen. Die Christen von heute seien aufgerufen, wie der Täufer unbeirrbare Zeugen der Wahrheit zu sein – auch gegen Widerstände, auch um den Preis des eigenen Wohlstands.
Erzbischof Tichon stellte in seiner Predigt das geistliche Lebensbild des heiligen Johannes in den Mittelpunkt. Johannes sei ein Asket gewesen, der in Kleidung, Nahrung und Lebensweise radikal auf Gott ausgerichtet war. Seine Sendung – vorbereitet durch die Prophetie Jesajas und angekündigt durch einen Engel – bestand darin, das Volk Israel zur Buße zu führen und es auf das Kommen Christi vorzubereiten.
Der Erzbischof zeichnete ein Bild der damaligen Welt: politische Unterdrückung durch die Römer, geistliche Blindheit der religiösen Führer, moralischer Verfall. Johannes trat diesem Zustand mit kompromissloser Wahrheit entgegen – sowohl gegenüber dem einfachen Volk als auch gegenüber den Eliten. Seine Anklage gegen Herodes’ gesetzeswidrige Verbindung mit Herodias kostete ihn das Leben. Das Verbrechen an ihm, so Erzbischof Tichon, begann mit einem Festmahl – und endete im Mord, was die schleichende Gefahr der Sünde verdeutliche.
Sünde beginne nie spektakulär, sondern mit kleinen Nachgiebigkeiten, warnte der Erzbischof. Nur mit Gottes Gnade und entschlossener Buße könne man sich der wachsenden Macht der Sünde entziehen. Johannes stehe als leuchtendes Vorbild für die Kraft der Umkehr und die Bereitschaft, für die Wahrheit bis zum Tod einzustehen. In ihm vereinen sich prophetischer Mut und das Märtyrertum der Liebe zur göttlichen Wahrheit.
Die UOJ berichtete zuvor, dass Erzbischof Tichon in Berlin zur radikalen Vergebung aufgerufen hatte.


