„Bittere Liebe“: Altvater Paisios über das, was Familien zerstört
Warum verwechseln wir Liebe mit Egoismus? Jeronda Paisios erklärt, warum Eifersucht, Kontrolle und „geistlicher Druck“ keine Heiligkeit sind, sondern Gift für die Ehe.
Eine Übersetzung des gleichnamigen Artikels der UOJ in der Ukraine.
Die schwierigsten Beziehungen sind familiäre Beziehungen. Während geschäftliche Beziehungen auf den Arbeitstag und freundschaftliche Beziehungen auf die Freizeit beschränkt sind, verbringt man den größten Teil seines Lebens in der Familie.
Familiäre Beziehungen sind ein weit gefasster Begriff. Sie umfassen sowohl die Beziehungen zwischen Ehepartnern als auch die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern unterschiedlichen Alters.
Diese Beziehungen sind oft vor den Augen Außenstehender verborgen, aber genau das macht familiäre Probleme für die Seele besonders verletzend.
Heute sprechen wir mit Jeronda Paisios über diese schwierigen Themen.
Liebe oder Egoismus?
Jeder Mensch sucht nach Liebe. Aber warum verwandelt sich das, was mit Liebe beginnt, so oft in Qualen, Kränkungen und Kontrolle? Warum fügen sich die Menschen, die uns am nächsten stehen, gegenseitig den größten Schmerz zu? Besonders häufig zeigt sich dies, wenn die „Flitterwochen” der Ehepartner vorbei sind und der „harte Alltag” beginnt oder wenn erwachsene Kinder beginnen, ihren Charakter zu zeigen.
Wir verwechseln zwei völlig unterschiedliche Begriffe. Es gibt die göttliche, aufopfernde Liebe – die Liebe, die laut dem Apostel Paulus „langmütig ist, gütig ist, nicht neidisch ist, sich nicht aufbläht ...” (1 Kor 13,4). Und es gibt die weltliche, egoistische Liebe, die im Gegenteil „fordert, strebt, unterdrückt“. Diese „bittere Liebe“ ist die Wurzel der meisten Familientragödien.
Altvater Paisios nennt verschiedene Beispiele für Liebe:
„Es gibt zwei Arten von Liebe“, sagt er. „Die göttliche, reine Liebe, die mit Opferbereitschaft verbunden ist und sich freut, wenn der Geliebte sich freut... Und es gibt die weltliche, fleischliche, egoistische Liebe. Eine solche Liebe verwandelt sich, wenn sie nicht veredelt wird, in höllische Qualen.“
„Selbstverliebte Liebe“ ist das giftigste Gift, mit dem ein Mensch seinen Partner „verwöhnen“ kann. Egoismus steht einem erfüllten Leben immer im Weg. Er zwingt, einsame Menschen dazu, einen unerreichbaren Idealpartner zu suchen und überhöhte Anforderungen an andere zu stellen. Dieselbe Selbstliebe zerstört eine bereits bestehende Familie von innen heraus, wenn jeder der Ehepartner versucht, die „Decke“ der Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und die Bedürfnisse des anderen zu ignorieren.
Eifersucht ist ein Zeichen von Egoismus, nicht von Liebe
Die deutlichste Manifestation dieser „bitteren Liebe“ ist Eifersucht. In der weltlichen Kultur wird Eifersucht ebenfalls kritisiert, aber häufiger romantisiert und als Zeichen starker Gefühle angesehen. Shakespeare bezeichnet sie in „Othello“ als „Monster mit grünen Augen“, und Lope de Vega spricht in „Der Hund auf dem Heuhaufen“ von diesem Gefühl als etwas Erhabenem: „Man kann nicht lieben, ohne sich selbst im Feuer der Eifersucht zu quälen.“
Der alte Paissius reißt der Eifersucht gnadenlos die Maske herunter und identifiziert sie mit dem unbändigen Verlangen, einen anderen zu besitzen:
„Eifersucht ist Egoismus, sie ist keine Liebe. Der Mensch möchte, dass der andere nur ihm gehört. Er vertraut weder Gott noch den Menschen. Das ist Qual. Ein Mensch mit egoistischer Liebe quält sich selbst und quält den anderen.“
Eifersucht verwandelt das Leben in ein Gefängnis, in dem einer zum Aufseher und der andere zum Gefangenen wird. Sie basiert nicht auf Liebe, sondern auf totalem Misstrauen und dem Wunsch, den anderen zu kontrollieren.
„Wenn einer der Ehepartner eifersüchtig ist, zeigt er damit, dass er dem anderen nicht vertraut. Und wenn kein Vertrauen da ist, was ist das dann für eine Liebe? Das ist einfach Selbstsucht. Er will den anderen wie einen Gegenstand kontrollieren“, schließt der Geronda.
Falsche Fürsorge: Druck statt Liebe
Aber Egoismus kann auch subtiler sein. Manchmal versteckt er sich hinter einer Maske der Frömmigkeit. Das kann man als „spirituelle Eifersucht“ oder falsche Fürsorge bezeichnen. Das passiert, wenn einer der Ehepartner (oder Eltern) beginnt, den anderen zu „retten“: Er zwingt ihn zum Beten, verlangt Fasten, kritisiert ihn für mangelnde Geistlichkeit. Diese „Überfürsorglichkeit“ dringt allmählich in alle Bereiche ein und macht das Leben unerträglich.
Jeronda Paisios warnt: Das ist keine Liebe, sondern derselbe Egoismus:
„Einige [in der Familie] wollen, dass ihr Ehepartner oder ihre Kinder über Nacht zu Heiligen werden. Sie üben Druck aus, stellen Forderungen, kritisieren. Aber das ist keine Geistlichkeit, das ist Egoismus. So kann man einen Menschen nur von Christus abbringen. Liebe muss mit Vernunft einhergehen“, ist der Heilige überzeugt.
Man kann einen Menschen nicht mit Gewalt ins Paradies zerren. Wenn wir unserem Nächsten wirklich helfen wollen, gibt es nur einen Weg: bei uns selbst anzufangen und für ihn zu beten, anstatt ihn nach unseren Maßstäben „umzupolen“. Im Gegensatz zu uns respektiert Gott die Freiheit des Einzelnen.
„Gott übt keinen Druck auf den Menschen aus“, vergewissert der heilige Paisios. „Wir Egoisten wollen andere gewaltsam ins Paradies zerren. Aber so funktioniert das nicht. Wahre Liebe ist geduldig und sucht nicht das Ihre, sie respektiert die Freiheit des anderen.“
Das Heilmittel: „Kleine Opfer“ und Nachgiebigkeit
Wie kann man sich von dieser „bitteren Liebe“ heilen? Ganz einfach. Man muss verstehen, dass das Glück in der Familie nicht auf großen Taten beruht, sondern auf täglicher, ständiger Nachgiebigkeit. In einem Streit nachgeben, schweigen, wenn man Vorwürfe machen möchte, etwas Nützliches für den anderen tun und dabei seine eigenen Wünsche zurückstellen.
Altvater Paissius bietet ein sehr praktisches Heilmittel gegen Egoismus an – „ein kleines Opfer“:
„Damit in der Familie Frieden herrscht, muss man ein wenig nachgeben. Jeder muss versuchen, seinen Willen zugunsten des anderen zurückzustellen. Wenn einer nachgibt, gibt der andere nach, und dann kommt die Gnade Gottes. Das Familienleben ist eine Schule der Opferbereitschaft“, lehrt der Heilige Abba.
Als Beispiel für einen Menschen, der nach seinem eigenen Willen lebt, nennt der Altvater von Athos einen wilden Baum, der keine Früchte trägt. Nur wenn wir unseren Egoismus abschneiden, werden wir mit Christus verbunden und beginnen, Früchte zu tragen. Wenn ein Mensch beginnt, so zu leben, entdeckt er ein großes Geheimnis: Die Freude liegt nicht im Nehmen, sondern im Geben.
„Wahre Liebe findet Freude darin, sich für andere aufzuopfern. Egoismus findet Freude im Nehmen. Ein Christ freut sich, wenn er gibt. Darin liegt das große Geheimnis der Liebe“, fasst der heilige Paisios zusammen.
Fazit: Der Weg zu wahrer Freude
Der Heilige hat uns eine wertvolle Lektion erteilt, dass der Weg von der „bitteren Liebe” des Egoismus zur wahren Freude über die Selbstverleugnung, über das tägliche kleine Opfer führt. Indem wir Eifersucht und Kontrollsucht überwinden, finden wir die Liebe, die Frieden bringt und das Paradies in unserem eigenen Zuhause schafft.
Jeronda Paisios verabschiedet uns heute aus seiner Kaliva mit Worten, die an alle Ehepaare, Eltern, Kinder und Enkel gerichtet sind:
„Das Glück im Familienleben hängt davon ab, inwieweit wir bereit sind, unseren Egoismus aufzuopfern. Wo Opferbereitschaft ist, da ist Christus, und wo Christus ist, da ist das Paradies. Das Paradies beginnt schon hier auf Erden, wenn im Herzen die Liebe Christi ist.“