Das Projekt der OKU und die Union von Brest: wie es vorher war, so wird es auch nachher sein
Das Projekt der OKU [„Orthodoxe Kirche der Ukraine“ – Anm. d. Übersetzers]: die Beteiligung des Staates, die Motive und Methoden, alles erinnert sehr an die Union von Brest im Jahr 1596. Vielleicht werden auch die Folgen ähnlich sein. Aber wie genau?
Ende des 16. Jahrhunderts gehörte ein bedeutender Teil des Gebiets der heutigen Ukraine zum polnisch-litauischen Staatenbund, der durch die Vereinigung Polens und des Großfürstentums Litauen entstanden war.
Der Katholizismus war die Staatsreligion im polnisch-litauischen Staatenbund. Die Orthodoxie war zunächst eine an der zweiten Stelle, wurde aber toleriert. Die Haltung gegenüber den orthodoxen Untertanen im polnisch-litauischen Staatenbund begann sich jedoch allmählich zu verschlechtern. All dies wird in vielen Lehrbüchern über die Geschichte der Ukraine ausführlich beschrieben. Die ukrainischen Bauern wurden überhaupt nicht als Menschen betrachtet, und der ukrainische Adel und der orthodoxe Klerus konnten sich mitnichten mit dem polnischen Adel und dem katholischen Klerus messen.
Es ist bekannt, dass die Kraft jeder Aktion gleich der Kraft ihrer Reaktion ist. Je mehr Druck ausgeübt wird, desto mehr kommt zurück. Die polnischen Obrigkeiten spürten, dass in der von ihnen unterdrückten ukrainischen Bevölkerung eine wachsende Unzufriedenheit herrschte, sahen in dieser Unzufriedenheit eine Bedrohung für sich selbst und versuchten, sie zu neutralisieren. Dass man zur Neutralisierung dieser Bedrohung einfach aufhören müsste, die Ukrainer zu unterdrücken, kam ihnen aber nicht in den Sinn. Die Polen fürchteten das Erstarken des Moskauer Reiches und glaubten, dass die Orthodoxie der Faktor war, der ihre orthodoxen Untertanen an Moskowien band. Dementsprechend versuchten sie, dieses Band zu zerreißen. Die Tatsache, dass die Moskauer Kirche zu diesem Zeitpunkt bereits den Status eines Patriarchats erlangt hatte und die Kiewer Metropolie verwaltungstechnisch zur Kirche von Konstantinopel gehörte, spielte dabei keine Rolle. Genauso wenig spielt es heute eine Rolle, dass die UOK eine völlig unabhängige Kirche mit voller Autonomie in der Verwaltung ist. Damals sahen die polnischen Behörden in der Orthodoxie eine äußere Bedrohung für sich und versuchten, ihre Untertanen aus der Kirche herauszureißen und sie unter die Tiara des römischen Papstes zu stellen. Nun wird auch die UOK als Bedrohung betrachtet und es wird versucht, sie unter die Kontrolle des Staates und des Patriarchen von Konstantinopel zu stellen. Doch neben der äußeren Voraussetzung für den Abschluss der Union gab es auch eine innere.
Diese innere Voraussetzung bestand darin, dass ein Teil des ukrainischen Adels durch seine gedemütigte Stellung gegenüber dem polnischen Adel belastet war und eine Gleichstellung mit diesem anstrebte. Einige von ihnen konvertierten persönlich zum römischen Katholizismus. Aber wenn ein „Pan“ [ukr. Herr – Anm. des Übersetzers] zum Katholizismus konvertierte, aber alle seine Leibeigenen in der Orthodoxie blieben, hatte das keine große Bedeutung. Es war notwendig, auch die Bauern zum Katholizismus zu bekehren. Und das war eine deutlich schwierigere Aufgabe, weil die Bauern, anders als die Mehrheit der Herren, ihren Glauben viel mehr schätzten. Um das Projekt der Union mit Rom zu verwirklichen, war es daher zunächst notwendig, in den führenden Positionen der Kirche solche Personen zu platzieren, die dem Willen des polnischen Adels gehorchen würden, oder besser noch, die selbst die Unterwerfung unter den Papst anstrebten, weil sie darin materielle Vorteile für sich selbst sahen. Diese Motive trugen dazu bei, dass auf die Bischofsstühle und in die reichsten Pfarreien häufig Personen mit einem zweifelhafte moralischen Erscheinungsbild berufen wurden, die von Ehrgeiz und Habgier infiziert und daher der weltlichen Obrigkeit gegenüber gehorsam waren. In diesem Punkt unterscheiden sich die heutige Situation und die Konfrontation zwischen den Orthodoxen und den Unierten im XVI. und XVII. Heute sind die meisten Bischöfe der UOK vom Heiligen Synod auf ihre Bischofsstühle gewählt worden, nicht durch die weltlichen Behörden. Aber dieser Umstand macht das Scheitern des OKU-Projekts nur noch wahrscheinlicher.
In den Jahren 1594-1595 bildeten die ukrainischen Bischöfe eine Art Verschwörung, indem sie der Union mit Rom zustimmten und zu diesem Zweck einige „Artikel“ ausarbeiteten, d.h. Bedingungen, unter denen die Bischöfe zustimmten, sich der Autorität des römischen Papstes zu unterstellen. Diese Bedingungen betrafen hauptsächlich die materiellen Rechte, die Macht und den Status der Bischöfe. So wollten sie beispielsweise Senatstitel wie katholische Bischöfe, die Beibehaltung von Kirchengütern, die Reduzierung des Einflusses der Bruderschaften und so weiter. Ein eigener Punkt der „Artikel“ war die Bewahrung der orthodoxen Dogmen und Riten. Das Projekt der Union konnte jedoch nicht lange geheim bleiben. Die Versuche, die Union zu fördern, wurden dem orthodoxen Klerus und dem Adel bekannt, unter denen der Magnat Konstantin Ostrozhskij hervorstach, der zu einem der einflussreichsten und konsequentesten Verfechter der Orthodoxie wurde. Er wandte sich an den polnischen König Sigismund III. mit der Bitte, ein orthodoxes Konzil einzuberufen, auf dem die Orthodoxen eine einheitliche Position in der Frage der Beziehungen zur römischen Kirche und der Stellung der Orthodoxen im polnisch-litauischen Reich entwickeln könnten. Sigismund lehnte das Ansinnen ab und verlangte vollkommenen Gehorsam gegenüber den Bischöfen, die die Union ersinnten.
1595 wurden die „Articulae“ zusammen mit der „Rundschreiben an Papst Clemens VIII.“, die von Metropolit Michael (Rogoza) von Kiew und den Bischöfen Kyrill (Terletskij) von Lutsk, Hypatius (Potey) von Wladimir, Michael (Kopystenskij) von Peremyshl, Gedon (Balaban) von Lviv, Dionysius (Zbirujskij) von Kholm und Leontius (Pelchitskij) von Pinsk unterzeichnet und nach Rom geschickt. Konstantin Ostrozhskij appellierte in einem Aufruf an die Orthodoxen, fest an der Orthodoxie festzuhalten und diejenigen, die für die Union eintraten, nicht als ihre Erzhirten anzuerkennen. Der Aufruf wurde von den orthodoxen Bruderschaften, einem bedeutenden Teil des orthodoxen Adels, dem niederen Klerus und den Laien aktiv unterstützt. Unter diesen Umständen zogen es die Bischöfe Gedeon (Balaban) und Michael (Kopystenskij) vor, ihre Unterschrift unter den „Artikeln“ zu widerrufen und ihre Treue zur Orthodoxie zu bekunden.
Im November 1595 gingen Kyrill (Terletskij) und Hypatius (Potey) nach Rom zum Papst, küssten seinen Schuh und schworen ihm die Treue. Die Beibehaltung der orthodoxen Dogmen kam nicht in Frage, ebenso wenig wie die anderen „Bedingungen“ der ukrainischen Bischöfe. Sie wurden als „reuige Schismatiker“ in den Katholizismus aufgenommen, ohne dass Rom irgendeine Verpflichtung eingegangen wäre. Der einzige „Trostpreis“ für sie war die Erlaubnis des Papstes, ihre gewohnten Riten beizubehalten, und selbst das nur unter der Bedingung, dass sie der katholischen Lehre nicht widersprechen würden. Nach ihrer Rückkehr in die Ukraine versuchten sie auf jede erdenkliche Weise, ihre Abkehr von der orthodoxen Lehre zu verbergen. Es gelang ihnen jedoch nicht, dies lange zu verbergen. 1596 befahl der polnische König, ein Konzil in Brest einzuberufen, um die Union anzunehmen. Die Orthodoxen widersetzten sich der Union jedoch auf jede erdenkliche Weise. Infolgedessen wurden in Brest zwei Konzile abgehalten: ein orthodoxes und ein uniertes. Diese Konzile verurteilten sich gegenseitig und bestätigten jeweils die Treue zur Orthodoxie und zur Union. Auf der Seite der Unierten standen die Mehrheit der Bischöfe, die weltlichen Obrigkeiten und der polnische Adel. Auf der Seite der Orthodoxen standen alle bekannten Klöster, viele Kathedralkirchen, orthodoxe Bruderschaften, ein Teil des Adels, das Kirchenvolk und die beiden Bischöfe Gedeon (Balaban) und Michael (Kopystenskij). Da ihre Unterschriften jedoch bereits unter den Dokumenten über die Union standen, erklärten die Befürworter des Unierten Konzils, dass der gesamte Episkopat ausnahmslos für die Union sei.
Nach dem Konzil von Brest verabschiedete das Polnisch-Litauische Reich seine eigenen „antikirchlichen Gesetze“. Da alle Bischöfe als zur Union konvertiert galten, wurden alle ihr Kirchenvolk, die Klöster und Pfarreien ebenfalls für uniert erklärt. Die Orthodoxie als solche wurde verboten, und diejenigen, die der Kirche dennoch treu blieben, wurden übel verfolgt. Sie wurden ihrer Kirchen und ihres kirchlichen Besitzes, sowie ihrer Rechte beraubt und oft auch körperlichen Angriffen ausgesetzt. Die Bischöfe Gedeon (Balaban) und Michael (Kopystenskij) blieben dennoch orthodox und starben 1608 bzw. 1612 eines natürlichen Todes. Nach ihrem Tod blieben die Orthodoxen bis 1620 ohne jeden Bischof. Patriarch Theophanes III. von Jerusalem kam mit Unterstützung von Hetman Konashevich-Sagaidachnyj nach Kiew und stellte die orthodoxe Hierarchie wieder her.
Die Unierte Kirche wurde als einzige legitime Kirche im Polnisch-Litauischen Staatenbund anerkannt, und die staatlichen Behörden machten vor nichts Halt, um ihr orthodoxe Gemeinden und Klöster anzugliedern. Das Gleiche geschieht heute. Die ukrainischen Behörden erkennen das Recht ihrer Bürger, Mitglieder der UOK zu sein, nicht an und tun alles, um sie zu zwingen, der OKU beizutreten. Dabei berücksichtigen sie unter anderem nicht die Tatsache, dass die Ukrainer von ihrer Mentalität her ein freiheitsliebendes Volk sind und nicht durch eine Entscheidung gezwungen werden können, ihre religiösen Überzeugungen zu ändern. Dieser Umstand wurde auch schon von den polnischen Behörden Ende des XVI. Jahrhunderts nicht berücksichtigt. Die Orthodoxen versuchten, sie zu einer Änderung dieser erzwungenen Pro-Unions-Politik zu bewegen, aber die Überredungskünste halfen nicht. Auf der Seite der Union standen die abtrünnigen Bischöfe, ein kleiner Teil des Klerus, ein beträchtlicher Teil des Adels und die polnischen Behörden mitsamt dem ihnen zur Verfügung stehenden Machtapparat. Aber die überwältigende Masse der orthodoxen Bevölkerung, der niedere Klerus, ein Teil des ukrainischen Adels und fast alle Klöster waren entschlossen, der Orthodoxie treu zu bleiben. Eine wichtige Kraft auf der Seite der Orthodoxen waren die Kosaken, die sie nicht nur moralisch, sondern auch tatkräftig unterstützten. So erhielt der Polnisch-Litauische Staat, anstatt seine innen- und außenpolitischen Probleme mit Hilfe der Union zu lösen, einen Bürgerkrieg und gab dem Moskauer Reich einen Trumpf für eine aggressive Außenpolitik in die Hand.
Wie bereits erwähnt, sorgte Hetman Petro Sagaidachnyj 1620 für das Eintreffen von Patriarch Theophanes in der Ukraine, der Hiob (Boretskij) zum Metropoliten von Kiew weihte, sowie Bischöfe für andere Diözesen. Dennoch sah sich die polnische Regierung 1633 gezwungen, die Legitimität der Existenz der orthodoxen Kirche anzuerkennen und ihr einen Teil der beschlagnahmten Kirchen und Güter zurückzugeben. Natürlich war dies nicht das Ende des Kampfes der Unierten gegen die Orthodoxie... Er dauert bis heute an, mit unterschiedlichem Erfolg und Intensität.
Diese ganze Geschichte ist voll von verschiedenen historischen Ereignissen, die unter dem Einfluss verschiedener religiöser, politischer und militärischer Faktoren stattfanden, aber für uns sind die folgenden unbestreitbaren Schlussfolgerungen wichtig:
Die Union, die die Bevölkerung des polnisch-litauischen Reiches vereinen sollte, diente im Gegenteil als Faktor der Uneinigkeit. Die schlecht durchdachte Religionspolitik der damaligen Behörden führte zu einer tiefen Spaltung der ukrainischen Gesellschaft, die bis heute anhält.
Die erzwungene Durchsetzung der Union führte zu einer bewaffneten Konfrontation zwischen der polnischen Führung und den ukrainischen Kosaken. Diese sehr lange und blutige Auseinandersetzung endete schließlich mit dem Sieg der Orthodoxie. Gleichzeitig wurde das Polnisch-Litauische Reich stark geschwächt, was zusammen mit anderen Faktoren dazu führte, dass dieser Staat im Zuge der so genannten drei Teilungen Polens vollständig verschwand.
Weder Gewalt, noch die kirchenfeindlichen Gesetze jener Zeit, noch die Ausschreitungen der Behörden und der Radikalen jener Zeit, nichts zwang die Masse des gläubigen Volkes, die Union anzunehmen. Die Kirche existierte weiter und übte ihren Dienst aus, auch wenn dies mit enormen Schwierigkeiten verbunden war.
Der Verrat der Bischöfe und ihr Übertritt zur Union hatten so gut wie gar keine Wirkung. Ihre Entscheidung wurde vom Kirchenvolk und vom Mönchtum nicht akzeptiert.
Die Kirche ging im Kampf gegen die Union den Weg der inneren Reinigung, diejenigen, die in der Kirche Profit, Ehre und Macht suchten und die Entwicklung der Kirche und die Erfüllung ihrer göttlichen Mission auf Erden tatsächlich behinderten, verließen sie.
Der Widerstand gegen die Union gab der Entwicklung der kirchlichen Theologie und anderen Wissenschaften, der ukrainischen Kultur, dem Schrifttum, dem Buchdrucks usw. einen starken Impuls. Die Polemik mit den Katholiken und Unierten brachte viele herausragende Persönlichkeiten hervor, wie Petr Mogila, Elisei Pletenetskij, Zaharia Kopystenskij, Pamvo Berynda, Lavrentij Zizanij, Hiob Boretskii und viele andere.
Trotz der Tatsache, dass die unierte Kirche immer noch existiert und sogar recht gut dasteht, wurde das Scheitern des Projekts der Union schließlich sogar von Papst Franziskus anerkannt. Hier ein Zitat aus der von ihm 2016 unterzeichneten Erklärung: „Heute ist klar, dass die Methode des ‚Uniatismus‘ früherer Jahrhunderte, die darin besteht, eine Gemeinschaft mit einer anderen zu vereinen, indem man sie von ihrer Kirche abtrennt, nicht der Weg zur Wiederherstellung der Einheit ist“.
Auf der Grundlage all dessen können wir mehrere Vermutungen darüber anstellen, wie sich die religiöse Situation in der Ukraine im Zusammenhang mit dem Verbot der ukrainisch-orthodoxen Kirche auf Ebene der Gesetzgebung entwickeln könnte:
Erstens: Weder das kirchenfeindliche Gesetz 8371, noch die Repressionen der Strafverfolgungsbehörden, noch die Entscheidungen der lokalen Behörden, noch die Übergriffe der Radikalen, nichts wird die UOK zur Selbstauflösung oder dazu bringen sich der OKU einzugliedern zwingen können.
Zweitens werden die Hoffnungen der Behörden, einen Teil der Bischöfe einschüchtern und zum Übertritt in die OKU zwingen zu können, nicht gerechtfertigt werden. Wenn es auch solche Überläufer gibt, werden es nur wenige sein, die nicht in der Lage sind, ihr Volk mit sich zu führen. Diejenigen, die zur OKU gehen wollten, sind bereits gegangen. Die traurige Erfahrung der ehemaligen Metropoliten Oleksandr Drabinko und vor allem Simeon Shostatskii zeigt, dass ihnen weder Gläubige noch Geistliche gefolgt sind.
Drittens hat die grobe und inkompetente Einmischung der Behörden in kirchliche Angelegenheiten bereits zu einer Spaltung und Polarisierung der ukrainischen Gesellschaft geführt, und die Fortsetzung einer solchen Politik droht diese Konfrontation unheilbar zu machen, was sich sowohl auf die soziale als auch auf die politische Lage in der Ukraine nachteilig auswirken wird.
Viertens wird es nicht möglich sein, die UOK zu zerstören, und schließlich wird der Staat gezwungen sein, ihr Existenzrecht anzuerkennen, aber dies wird als Folge der Konfrontation geschehen, und es ist noch nicht absehbar, welche Opfer dies kosten wird.
Es ist jedoch noch nicht zu spät, zur Vernunft zu kommen und zu versuchen, die oben genannten Folgen, wenn nicht auszuschließen, so doch zumindest zu verringern.