Warum bräuchte Gott unser Leiden, unser Wirken und unsere Gebete, wo Er das Schicksal eines jeden bereits kennt?

15 Mai 13:11
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Der Mensch im Angesicht Gottes. Foto: UOJ Der Mensch im Angesicht Gottes. Foto: UOJ

Warum braucht der Größte und Ewige den Glauben der Einfachsten und Vergänglichsten? Warum braucht er all das von uns – Fragen nach Gut und Böse, Gehorsam, Entwicklung, Glaube, Liebe?

Der UOJ erhält regelmäßig Leserbriefe mit der Bitte um Kommentare zu verschiedenen Glaubensthemen. Manche dieser Briefe sind so allgemein, dass sie über die Interessen des Autors hinausgehen. Daher laden wir Sie ein, über die folgenden Fragen nachzudenken:

1. Wenn Gott so groß, allwissend und allmächtig ist, warum erschafft Er dann eine Welt, in der er im Voraus weiß, wer an Ihn glauben wird und wer nicht? Warum verlangt Er Glauben, Anbetung und die Einhaltung von Ritualen von Geschöpfen, die Er selbst begrenzt, widersprüchlich und zweifelnd erschaffen hat? Wozu dieser theatralische Weg aus Leiden, Schmerz und Erlösung, wenn Er doch das Ende jeder Seele von vornherein kennt?

2. Warum braucht der Allergrößte und Ewige den Glauben der Einfachsten und Vergänglichsten? Wenn Gott ALLE und ALLES erschaffen hat und jenseits der Zeit und überhaupt jenseits unserer Welt steht, warum braucht Er dann all das von uns – Fragen nach Gut und Böse, Gehorsam, Entwicklung, Glaube, Liebe? Warum brauchen wir Rituale, Beichte, Gemeinschaft mit Gott, wo Er doch ALLES kann?

3. Wenn Gott unser Leben beeinflusst, dann beeinflusst Er mit Sicherheit auch all das Grauen, das täglich Menschen widerfährt, die es nicht verdienen. Wenn Er aber nicht an unserem Leben teilnimmt, was ist dann der Sinn des Gebets? Wir wissen aber, dass man mit Hilfe von Gebet und Glauben einen Platz im Himmel erhält und im Falle des Unglaubens ewige Qualen erleiden muss. Worin liegt da die Freiheit? Ist das nicht Kontrolle und Erpressung?

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Es gibt sogenannte ewige Fragen an Gott. Es gibt keine klaren Antworten darauf, und dennoch stellen Menschen diese Fragen von Generation zu Generation.

Was kann ein Mensch, der ein Mikroskop anstelle von Augen hat, über Iwan Schischkins Gemälde „Morgen im Kiefernwald“ sagen? Er kann sich nur auf einen mikroskopischen Ausschnitt der Leinwand konzentrieren. Aber wird ihm das die Möglichkeit geben, das Gesamtbild zu betrachten und die Gesamtkonzeption des Künstlers zu würdigen? Wenn wir etwa über die Frage nachdenken, „Was braucht Gott und was nicht?“, oder etwa „Wem ist Gott gnädig und wem vergibt er nicht?“, versuchen wir, uns an Gottes Stelle zu setzen und seine Bedürfnisse und Motive zu analysieren.

Natürlich können wir, wenn wir Gottes Vorsehung durch das Mikroskop unseres Geistes betrachten, zu dem Schluss kommen, dass alle Kategorien, die wir auf Gott anwenden, in erster Linie mit seiner Schöpfung zusammenhängen.

Ein Fußball – ist er groß oder klein? Im Vergleich zu einem Quark ist er so groß wie das Universum. Aber im Vergleich zu unserer Galaxie ist der Ball unbedeutend. Um über irgendetwas sprechen zu können, auch über Gott im höchsten Maße, muss man ihn mit etwas vergleichen. Gäbe es weder Zeit noch Schöpfung – mit anderen Worten: nichts außer Gott –, was für ein Gott wäre er dann? Er ist „der, der ist“. Denn seine Allmacht, Allwissenheit und Allmacht sind nur in Bezug auf seine Schöpfung möglich.

Wir können darüber nachsinnen, ob Gott die Welt noch immer bräuchte, um sich in ihr zu spiegeln, sich seiner Schöpfung hinzugeben und die in ihm lebende Energie der Liebe denen zu schenken, die sie mit Gott teilen wollen. Vielleicht bräuchte er die Welt, um sich durch unsere Augen betrachten zu können. Doch was auch immer wir dazu sagen würden, all dies ist nichts weiter als unsere Fantasie und ein Spiel der Vorstellungskraft.

Vielleicht können wir eher seine Vorsehung etwas tiefer verstehen, wenn wir unseren Blick nicht auf Gott, sondern auf uns selbst richten.

Natürlich braucht er unsere Opfergaben, Rituale, Beichte und Kommunion nicht. Er braucht nichts, da Er sich selbst genügt. Gott braucht unsere Erfahrung von Leid und Schmerz nicht. Wir selbst brauchen diese Erfahrung. Alles Böse, das auf Erden geschieht, geschieht in der vom Schöpfer geschaffenen Welt. Und so oft wir auch meinen würden, dass nicht Gott an allem schuld sei, sondern die freie Entscheidung seiner Geschöpfe, so ist doch letztendlich der Schöpfer für alles verantwortlich und nicht die Schöpfung.

Aber lasst uns die Worte „Böse, Schrecken, Schmerz, Leid“ verstehen. Woher kommen sie? Warum beschließt man, dass das schlecht sei? Höchstwahrscheinlich kommen wir zu diesem Schluss durch das Wissen und die Erfahrung, dass es auch anders sein kann. Als ich jung war, wusste ich beispielsweise nicht, wo meine Wirbelsäule war. Nein, natürlich wusste ich es, aber vielleicht war es mir nicht bewusst, dass ich eine habe. Weil es mir völlig egal war. Dann aber kam der Schmerz. Jetzt verstehe ich, wie gut es ist, wenn es nicht wehtut und wie schlecht es ist, wenn es wehtut. Aber was gut und was schlecht ist, habe ich erst durch Vergleiche verstehen gelernt.

Hätten Adam und Eva und ihre Nachkommen nicht Tod, Leid und Schmerz erlebt, hätten sie im Paradies nicht gewusst, dass es das Paradies ist. Hätten sie Gott nie verloren, hätten sie nicht gewusst, wie wichtig es ist, bei Ihm zu sein. In der Glückseligkeit wäre es ihnen nie bewusst gewesen, dass es Glückseligkeit ist. Denn der Mensch kannte bis zum Fall keinen anderen Zustand. Um Farben unterscheiden zu können, braucht es verschiedene Farben. Anders geht es nicht.

Aus der Offenbarung wissen wir, dass unser irdisches Leben eine Vorbereitungsschule für die Ewigkeit ist.

Und hier müssen wir lernen, Gut von Böse, Freude von Leid, Schmerz von Vergnügen zu unterscheiden. Wir kosten jetzt die Früchte des Baumes der Erkenntnis von Gut und Böse, und das ist es, was nicht Gott, sondern wir brauchen. Des Weiteren sind alle Rituale, Regeln, Gebote und Anstrengungen, die wir auf diesem Weg befolgen müssen, Lektionen, die Gott uns erteilt, damit wir seinem Plan für uns gerecht werden.

Natürlich hätte der Herr uns in einer Form erschaffen können, die für das ewige Leben bereit gewesen wäre. Da wären wir aber von unbedeutendem Wert geworden. Um die Gottähnlichkeit zu erlangen, bedarf es einer tieferen Erfahrung. Gott nimmt an unserem Leben teil, aber nicht so, wie wir es uns vorstellen. Das Wesen des Gebets besteht gerade darin, Gott daran teilhaben zu lassen.

Ewige Freude und ewige Qual bedeuten nicht gleich Belohnung und Strafe, sondern deuten auf den Zustand der Seele in Bezug auf Gott. Gott selbst bleibt unverändert.

Damit ist immer noch nicht alles gesagt. Wir wissen eigentlich nichts über uns selbst oder unsere Welt, da wir sie nur durch den Filter unserer Physiologie sehen. Das größte Mysterium dabei ist die Zeit, die, wie alles andere, was aus dem Nichts erschaffen wurde, ein Produkt unseres Gehirns ist.

Wir stellen uns vor, dass es einst einen Gott gab, der irgendwann beschloss, die Welt, die Menschen und die Zeit zu erschaffen. So sehen wir es aus menschlicher Sicht. Doch wenn alles so geschehen wäre, würde das bedeuten, dass sich auch in Gott Veränderungen vollziehen, die äußere Handlungen hervorrufen. Doch nein, in Gott kann es keine Veränderungen geben. Und wenn wir jetzt existieren, dann kann es nicht sein, dass wir einst nicht waren oder nicht sein werden. Nichts Neues erscheint in Gott und nichts verschwindet. Alles, was existiert, ist ewig, wie die Idee Gottes, das heißt, die Welt und alles, was in ihr war, ist und sein wird, hat existiert und wird immer in Gott existieren. Doch der Sinn unseres Wesens wird sich erst im Leben der kommenden Welt offenbaren.

P.S.

Alle meine Gedanken zu diesem Thema sind nichts weiter als die Gedanken eines von Geburt an blinden Mannes darüber, wie ein blühender Frühlingsgarten aussieht.

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