Glaube gegen Gewalt: Chronik der Besetzung der UOK-Kathedrale in Tscherkassy
In der Nacht zum 17. Oktober 2024, gegen 3 Uhr morgens, drangen etwa 100 Personen in Tarnkleidung und Sturmhauben in die Erzengel-Michael-Kathedrale der Ukrainischen Orthodoxen Kirche in Tscherkassy ein. Zu dieser Zeit fand in der Kathedrale eine Nachtliturgie statt und die Gläubigen beteten.
Die Angreifer, die organisiert und koordiniert vorgingen, übernahmen schnell die Kontrolle über die Kathedrale und drängten die Menschen gewaltsam aus dem Gelände. Sie vertrieben nicht nur die Gemeindemitglieder, sondern nahmen ihnen auch die Mobiltelefone weg und hinderten sie daran, das Geschehen zu filmen. Das Videoüberwachungssystem wurde unterbrochen, so dass die Ereignisse dieser Nacht weder außerhalb noch innerhalb des Tempels aufgezeichnet werden konnten. Die aggressiven Angreifer schlugen Fenster ein, traten Türen ein und drangen schließlich in das Kirchengebäude und die Diözesanverwaltung ein.
Die orthodoxen Gläubigen von Tscherkassy und Umgebung begannen sich zu versammeln, um die Kathedrale zu verteidigen. Doch die Situation spitzte sich von Minute zu Minute zu. In der Diözesanherberge befanden sich Priester mit ihren Familien, umgeben von aggressiven Angreifern. Unter ihnen waren auch kleine Kinder - sieben Kleinkinder im Alter von 3 Monaten bis 8 Jahren. Diese Kinder, die durch den Lärm geweckt wurden, wurden aufgeschreckt und zu Tränen gebracht und standen unter großem Stress. Augenzeugen zufolge zeigte keiner der Angreifer auch nur das geringste Mitgefühl mit den Familien der Priester, ihren Frauen und Kindern. Im Gegenteil, alle Bemühungen waren darauf ausgerichtet, die Gläubigen so weit wie möglich einzuschüchtern.
Später stellte sich heraus, dass sich unter den Angreifern ein Abgeordneter des Gemeinderats befand, der aktiv Versuche unterstützte, die Kirchen der UOK gewaltsam der "Orthodoxen Kirche der Ukraine" (OKU) zu übertragen. Metropolit Feodosij von Tscherkassy und Kanev, der sich zum Ort des Geschehens begab, um seine Gläubigen zu unterstützen, erzählte davon.
Vladyka verhielt sich wie ein wahrer Hirte und Vater, der seine Kinder in einem schwierigen Moment nicht im Stich ließ und sich hinter ihrem Rücken versteckte, sondern - im Gegenteil- alles in seiner Macht Stehende tat, um die Banditen aus dem Gotteshaus zu vertreiben.
Dies ist ihm schließlich auch geglückt. In einer Ansprache unmittelbar, nachdem die Verbrecher mit Schmach aus der Kirche vertrieben worden waren, rief Metropolit Feodsij die Gläubigen auf, nicht aufzugeben und ihre Heiligtümer zu verteidigen: „Brüder und Schwestern, wenn sich eine solche Ausschreitung wiederholt, müssen wir unsere Kathedrale verteidigen! Das Heiligtum muss vor Banditen geschützt werden, die es nicht gebaut haben, die nicht wissen, wie man betet, und die nur zerstören, was in jahrelanger Arbeit und Gebet geschaffen wurde.“
Metropolit Feodosij appellierte auch an Patriarch Bartholomäus, der Verfolgung, der die Gläubigen der Ukrainischen Orthodoxen Kirche ausgesetzt sind, seine Aufmerksamkeit zu schenken. Er betonte, dass die Situation in Tscherkassy nur eine von vielen Erscheinungsformen von Gewalt und Aggression gegen orthodoxe Gläubige ist.
Es sei darauf hingewiesen, dass diesen Ereignissen Äußerungen des Bürgermeisters von Tscherkassy, Anatolij Bondarenko, vorausgingen, der offen über seine Absicht sprach, die Erzengel-Michael-Kathedrale an die OKU zu übergeben.
Einige Tage vor dem Angriff veröffentlichte er auf Instagram ein Foto der Kathedrale mit einem Kommentar, der auf die bevorstehende „Übergabe“ der Kirche an die OKU hinwies. Damit verbinden viele Gläubige die Gewalt, die stattgefunden hat.
Am Tag der Beschlagnahmung rief Bondarenko, den Zelenskij 2020 einen Banditen nannte, die „Aktivisten“ auf, zur Kathedrale der UOK zu kommen, um an ihrer „Übergabe“ an Dumenkos Anhänger teilzunehmen. Damit bestätigte der Bürgermeister der Stadt, dass der Angriff sorgfältig geplant und nicht nur mit dem Wissen, sondern auch mit direkter Beteiligung der örtlichen Behörden durchgeführt wurde, die die gewaltsame Besetzung der Kathedrale der UOK auch tatsächlich durchführten.
Unter denjenigen, die den Sturm auf die Kathedrale anführten, erkannten Gläubige und Priester den OKU-Kaplan Nazarij Zasansky. Dieser „Geistliche“ ist bereits bei der gewaltsamen Besetzung anderer orthodoxer Heiligtümer in Erscheinung getreten, insbesondere des Klosters der Geburt der Jungfrau Maria in Tscherkassy im November 2023. Wie viele Zeugen festgestellt haben, handelt Zasanskij aus rein eigennützigen Motiven und wurde im vergangenen Jahr nach der Beschlagnahmung des Klosters de facto dessen Oberhaupt und Herr. Laut Metropolit Feodosij hat Zasanskijs Familie keinen Bezug zum geistlichen Leben, und ihre Handlungen dienen ausschließlich der persönlichen Bereicherung und Machtgier.
Die Gläubigen stellten auch fest, dass der Kirche geraubt worden war. Die Eindringlinge zertrümmerten die Buchhaltung, stahlen Dokumente, Kirchenutensilien und Geräte. 60 000 Dollar und 80 000 Griwna, die die Gemeindemitglieder für die Restaurierung und eine Glocke gesammelt hatten, fehlten im Kirchengebäude. Zwei bischöfliche Enkolpien mit Teilen von Reliquien darin, Kreuze, Ikonen und andere Wertgegenständen wurden gestohlen. Die Eindringlinge machten nicht einmal vor den Lebensmitteln und Wintervorräten halt, die die Geistlichen für ihre Familien gelagert hatten.
Trotz aller Bemühungen der Gläubigen, die Kathedrale zu schützen, unternahmen die Angreifer am Morgen des 17. Oktober einen zweiten Versuch, die Kathedrale zu stürmen. Die Gemeindemitglieder setzten gemeinsam mit Metropolit Feodosij alles daran, das Heiligtum nicht von den Gottlosen entweihen zu lassen, aber... mit Hilfe von Tränengas und physischer Gewalt wurde das Gotteshaus eingenommen. Metropolit Theodosius wurde bei dem Angriff persönlich verletzt: Er wurde am Kopf geschlagen und mit Gas besprüht. Er musste ärztlich behandelt werden, da er nach dem Schlag das Bewusstsein verlor. Die Angreifer machten auch vor körperlicher Gewalt gegen Geistliche und Gläubige fortgeschrittenen Alters nicht halt und schlugen einen älteren Mönch der Diözese Tscherkassy und viele Gemeindemitglieder der Kirche brutal zusammen.
Die Polizei wurde zum Tatort gerufen, doch die Ordnungskräfte griffen nicht ein. Laut der offiziellen Erklärung der Nationalen Polizei der Region Tscherkassy traf die Polizei am Tatort ein und trug Informationen über den Vorfall in das einheitliche Register für Ermittlungsverfahren ein. Die Polizei ließ die Gläubigen jedoch mit den aggressiven Angreifern allein. Nur wenige Stunden nach dem Angriff wurde ein Ermittlungsverfahren wegen „ Randalismus “ eingeleitet. Nach der offiziellen Version gab es einen Konflikt zwischen den Gläubigen, den die Polizei nun angeblich untersucht. Viele Augenzeugen berichten jedoch, dass die Polizei sich bewusst passiv verhielt und die Ordnungskräfte den Angreifern sogar grünes Licht gaben.
Nachdem die Kirche schließlich endgülzig besetzt worden war, wandte sich Metropolit Feodosij von Tscherkassy und Kanev mit einer emotionalen Stellungnahme an die Gläubigen. Er wies darauf hin, dass Gemeindemitglieder und Priester nun gezwungen sein werden, in ihren Häusern und Wohnungen zu beten. In seiner Ansprache betonte Metropolit Feodosij, dass trotz des Verlusts der Kathedrale die Gnade Gottes immer bei denen ist, die ihrem Glauben treu bleiben. Er sagte: "Der Herr, die Mutter Gottes, der Erzengel Michael und der heilige Makarius sind immer mit uns! Wir haben alles getan, um unser Heiligtum zu schützen, aber jetzt sind wir gezwungen, weiterhin in unseren Häusern und Wohnungen zu beten“. Er wies auch darauf hin, dass der Kampf um die Kathedrale noch nicht zu Ende ist und vor Gericht weitergehen wird, obwohl er Zweifel daran äußerte, dass man mit einem gerechten Urteil rechnen kann.
Es sei darauf hingewiesen, dass bei der Besetzung nicht nur physische, sondern auch emotionale Gewalt angewendet wurde. Die Angreifer, die auf den Stufen und im Inneren der orthodoxen Kirche standen, benutzten so viele unflätige Wörter und Kraftausdrücke, dass die Gläubigen schockiert waren. Nicht aber die Anhänger von Dumenko, die nach der Besetzung des Tempels begannen, dort ihren „Gottesdienst“ abzuhalten. Wie es möglich ist, in einer Kirche zu beten, die sie gewaltsam stürmten, indem sie die Gläubigen schlugen und mit übelsten Schimpfwörtern attackierten, haben die Dumenko-Anhänger nicht erklärt. Wahrscheinlich weil sie selbst begreifen, dass ihr „Gottesdienst“ nicht als Gebet gelten kann.
Angesichts dieser Ereignisse wird deutlich, dass der Kampf um die Gotteshäuser der Ukrainischen Orthodoxen Kirche mit Sicherheit nicht auf Tscherkassy beschränkt bleiben wird. In der gesamten Ukraine werden sich die Besetzungen von Kirchen nur verschärfen, was zu einer noch größeren Spaltung der Gesellschaft führen wird. Buchstäblich zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Artikels wurde bekannt, dass OKU- Plünderer die UOK-Kirche in Krementschug beschlagnahmen. Und es ist offensichtlich, dass es jetzt darauf ankommt, unserer Kirche treu zu bleiben und weiter für unsere Rechte zu kämpfen, trotz allem, was geschieht.
Ja, unsere Kirche ist aufgerufen, für den Frieden einzutreten, aber wenn ihre Mitglieder mit Unrecht und physischer Gewalt konfrontiert werden, stellt sich die Frage: Wie bringen wir den Wunsch nach Frieden mit der Notwendigkeit in Einklang, unsere Heiligtümer zu schützen? Sollten wir uns demütig zeigen und alles ohne Klagen hinnehmen? Metropolit Feodosij rief dazu auf, die Kathedrale gegen „Banditen“ zu verteidigen, und im Evangelium sagt der Herr: „Gebt das Heilige nicht den Hunden“. Aber gleichzeitig nennt Christus seine Jünger „Friedensstifter“. Wie lässt sich dies miteinander vereinbaren? Nur so, dass die Verteidigung des Heiligen nicht physisch oder gewaltsam sein muss. Unsere größte Stärke ist das Gebet und die Einigkeit. Und in solchen Fällen, wie in Tscherkassy, wäre es sehr wünschenswert, die Stimme der ganzen Kirche zu hören, die Einheit aller ihrer Mitglieder zu sehen. Denn was sagt der Heiland durch den Apostel Paulus? „Und wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit, und wenn ein Glied geehrt wird, so freuen sich alle Glieder mit.“ (1 Kor 12,26). Das ist es, was wir uns heute wünschen - Mitleid.
Ja, wir müssen unseren Schuldigern vergeben. Aber wir müssen bedenken, dass Vergebung im Christentum nicht bedeutet, dass wir auf Gerechtigkeit verzichten. Sie schließt nicht aus, dass man den Rechtsweg beschreitet, um die Wahrheit wiederherzustellen. Das Matthäus-Evangelium spricht von dem gerechten Gericht, das über diejenigen kommen wird, die Böses tun (Mt 25,31-46). In diesem Zusammenhang ist der Kampf um die Heimkehr der Kathedrale ein Bemühen um die Wiederherstellung von Recht und Ordnung, was nicht im Widerspruch zu den Grundsätzen des Evangeliums der Vergebung steht.
Gleichzeitig müssen wir uns daran erinnern, dass wir keine Dumenko-Anhänger sind, was bedeutet, dass wir keine Erbitterung und keinen Hass gegenüber unseren Feinden zulassen dürfen, selbst wenn sie ohne jegliches Gesetz handeln. Wie es im Römerbrief heißt: „Rächt euch nicht selbst, ihr Geliebten, sondern gebt dem Zorn Gottes Raum; denn es steht geschrieben: ‚Die Rache ist mein, ich will vergelten, spricht der Herr‘“ (Röm 12,19). Und wir glauben, dass der Herr gewiss vergelten wird - und zwar jedem und jeder Einzelnen.
Genauso wie wir glauben, dass der Verlust der physischen Kirche, so schmerzlich er auch sein mag, nicht den Verlust der Kirche selbst bedeutet. Die Gläubigen sind weiterhin Teil der Kirche, auch wenn ihnen der Zugang zur Kirche verwehrt wird. Heute erfüllen sich die Worte Christi, der zu der samaritanischen Frau am Brunnen sagte: „Es kommt die Zeit, und sie ist schon da, da die wahren Anbeter den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten werden“ (Joh 4,23). Und das ist tatsächlich der Fall.
Letztlich können die Ereignisse in Tscherkassy und anderswo in der Ukraine im Zusammenhang mit einem geistlichen Kampf um die Seelen der Menschen gesehen werden. Gewalt, Spaltung, Hass - all das sind Ausdruck des geistlichen Kampfes, der im Herzen eines jeden Menschen stattfindet.
Und in dieser Situation ist es nicht nur wichtig, unsere Kirchen zu schützen, sondern auch unsere Herzen rein zu halten und keine Erbitterung und keinen Hass zuzulassen. Die christliche Antwort auf solche Situationen sollte auf Liebe beruhen, auch wenn das unmöglich erscheint. Denn nur wer an Gott glaubt, kann inmitten des Hasses ein Mensch der Liebe sein. Denn im Philiperbrief heißt es: „Ich vermag alles in Christus, der mich stärkt“ (Phlp 4,13).
Der Herr soll auch uns stärken! Das Böse kann nämlich nicht lange triumphieren, denn Gott kann nicht geschmäht werden!
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