Die globale Bevölkerungskrise aus orthodoxer Sicht
Leben und Bevölkerungswachstum oder Tod und gesellschaftlicher Zusammenbruch. Foto: UOJ.
Wenn man den Predigern der modernen Umweltbewegung Glauben schenkt, gibt es zwei hauptsächliche Probleme auf unserem Planeten: die Zerstörung der Umwelt für menschliche Zwecke und, diese noch verschlimmernd, die zunehmende ‚Überbevölkerung‘. Der Kern dieses säkularen Evangeliums: Der Mensch wird als Störfaktor betrachtet, den man zum Wohl der Natur zumindest einhegen muss, wenn man ihn schon nicht ganz beseitigen kann. Dabei spielt die Geburtenkontrolle, also die Begrenzung des weltweiten Bevölkerungswachstums, eine zentrale Rolle.
Die Realität sieht jedoch ganz anders aus: Seit Jahrzehnten sinken die Geburtenraten in Deutschland, Europa und weiten Teilen der Welt unter das Bestandserhaltungsniveau. Während das alte Narrativ der Überbevölkerung sich im öffentlichen Diskurs hartnäckig hält, stehen praktisch alle Nationen und besonders Deutschland vor einem ganz anderen Problem: der schleichenden Bevölkerungsimplosion, die von Politik und Wissenschaft nur langsam zur Kenntnis genommen wird, aber gravierende Konsequenzen für Mensch und Umwelt nach sich zieht. Der vorliegende Artikel versteht sich als orthodoxe Antwort auf die beschriebenen Probleme.
Das biblische Fortpflanzungs- und Herrschaftsgebot
Vergleichen wir die eingangs beschriebene Perspektive mit der Botschaft der biblischen Offenbarung, so tut sich ein bestürzender Unterschied auf. Denn das erste Gebot, das Gott dem Menschen nach seiner Erschaffung gab, ist nicht, wie man erwarten könnte, das Gebot der Anbetung, sondern der Fortpflanzung und der Unterwerfung der Erde:
„Und Gott schuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes schuf er ihn; als Mann und Frau schuf er sie. Und Gott segnete sie, und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehrt euch, und füllt die Erde, und macht sie euch untertan; und herrscht über die Fische des Meeres und über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf der Erde regen!“ (Genesis 1,27f.).
Warum überhaupt befahl Gott dem Menschen nicht zuerst: Du sollst keine anderen Götter neben mir haben! (s. Exodus 20,3)? War es nur, weil Adam ohnehin noch keinen Götzendienst kannte? Es muss doch noch einen tieferen Grund geben.
In der Fortpflanzung und der Herrschaft über die Schöpfung realisiert sich die Gottebenbildlichkeit des Menschen. So heißt es von Adam: „Er zeugte einen Sohn, ihm selbst gleich, nach seinem Bild, und er nannte ihn Seth“ (Gen 5,3). Und über Eva sagt die Schrift, dass sie „aus der Seite Adams hervorgeht“ (s. Gen 2,21f.). Der heilige Johannes von Damaskus entschlüsselt uns den tieferen Sinn dieses Mysteriums:
Wenn Jesus als Sohn Gottes nach dem Bild des unsichtbaren Gottes gezeugt ist (Kol 1,15) und der Heilige Geist aus dem Vater hervorgeht (Joh 15,26), so ist die menschliche Kernfamilie mit Vater, Mutter und Kind nach Genesis in Analogie der innergöttlichen Beziehung zu verstehen (De fide orthodoxa IV 14).
Und der heilige Gregor von Nyssa sagt in Über die Erschaffung des Menschen, dass die Gottebenbildlichkeit nicht nur dem Erstgeschaffenen als Individuum innewohnt, sondern der Gesamtheit des Menschengeschlechts, das in ihm seine Wurzel hat.
Das heißt, die von Gott gesegnete Familie spiegelt die Herrlichkeit des dreimal Heiligen wider, von der nach dem Wort des Jesaja „die ganze Erde ist erfüllt ist“ (Jes 6,3). Wenn Gott zu Adam und Eva sagt: Füllt die Erde, so sagt er damit: „Mehrt meine Herrlichkeit!“ Und wenn er ihnen den Auftrag gibt, sich die Erde untertan zu machen, meint er damit: „Ahmt meine Herrschaft nach“. Keine Tyrannei, sondern eine Herrschaft, von der es heißt: „Der HERR ist gut gegen alle, sein Erbarmen erstreckt sich auf alle seine Werke“ (Psalm 145,9).
Im neunten Kapitel von Genesis, das gewissermaßen die Neuschöpfung und Neuordnung der Welt nach der Sintflut beschreibt, wird dieses doppelte Gebot nochmals nachdrücklich bestätigt:
Und Gott segnete Noah und seine Söhne und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehrt euch und füllt die Erde! Und Furcht und Schrecken vor euch sei auf allen Tieren der Erde und auf allen Vögeln des Himmels! Mit allem, was sich auf dem Erdboden regt, mit allen Fischen des Meeres sind sie in eure Hände gegeben. (Gen 9,1f.)
Und kurz darauf:
Ihr nun, seid fruchtbar und vermehrt euch, wimmelt auf der Erde und vermehrt euch auf ihr! […] Und ich, siehe, ich richte meinen Bund mit euch auf und mit euren Nachkommen nach euch und mit jedem lebenden Wesen, das bei euch ist, an Vögeln, an Vieh und an allen Tieren der Erde bei euch, von allem, was aus der Arche gegangen ist, von allen Tieren der Erde. (Gen 9,7.9–10)
Hier kommt eine neue Komponente ins Spiel, nämlich die Rede von Furcht und Schrecken, die mit der Ausübung menschlicher Herrschaft über die Geschöpfe verbunden werden. Eine Formulierung, die mit Blick auf heutige Umweltdiskurse erstaunlich aktuell wirkt, ebenso wie die Tatsache, dass auch die übrigen Geschöpfe in den Bund Gottes mit den Menschen hineingenommen werden! Damit unterstreicht die Offenbarung einerseits die Verantwortung des Menschen für Gottes Werke, andererseits auch die Ambivalenz zwischen rechtmäßiger Herrschaft und Tyrannei, die sein Verhältnis zur Schöpfung kennzeichnet. Dennoch wird das Fortpflanzungsgebot bekräftigt: Seid fruchtbar und vermehrt euch, wimmelt auf der Erde und vermehrt euch auf ihr!
Kann dieses Gebot unter heutigen Verhältnissen überhaupt noch gerechtfertigt werden? Oder haben die vom Menschen verbreitete Furcht und Schrecken ein solches Ausmaß erreicht, dass wir uns nicht vermehren, sondern vielmehr weniger werden sollten?-
Mythos Überbevölkerung
Der Gedanke, dass ungebremstes Bevölkerungswachstum nach natürlichen oder künstlichen Korrektiven bzw. Ventilen verlangt, etwa in Form von Seuchen, Kriegen oder Geburtenkontrolle, findet sich schon seit der griechischen Antike bei einer Vielzahl von Denkern. Und selbst ein hochrangiger Kirchenvater wie der heilige Johannes Chrysostomos preist in seinen Predigten den Jungfrauen- und Mönchsstand mit dem Hinweis, dass der Mensch die Erde bereits erfüllt habe, womit der göttliche Fortpflanzungsauftrag nun hinter dem Streben nach Tugend und Enthaltsamkeit zurückstehen könne (z.B. in den Homilien zu Genesis und Gegen die Bekämpfer des Mönchtums). Dennoch betont derselbe Johannes Chrysostomos, dass das „Ein-Fleisch-Werden“ in der ehelichen Verbindung nach Gottes Wille die Zeugung von Nachkommenschaft beinhaltet:
„Und so ist ein Fleisch der Vater, das Kind und die Mutter, wegen der Vermischung des beiderseitigen Wesens; denn durch die eheliche Vermischung entsteht wieder das Kind, so daß die drei nur ein Fleisch sind.“ (20. Homilie zum Epheserbrief Kap. 4).
Mit anderen Worten, der Gedanke an mögliche vernunft- oder naturgegebene Grenzen menschlicher Reproduktion ist weder der vorchristlichen noch der patristischen Tradition völlig fremd. Die modernen Warnungen vor einer drohenden Überbevölkerung gehen aber aber im wesentlichen auf den britischen Ökonom Thomas Malthus (1766–1834) zurück. Malthus behauptete schon zu seiner Zeit, dass die menschliche Population mit steigendem Wohlstand unbegrenzt wachsen werde, während die Ressourcen zur Ernährung dieser wachsenden Menschenmenge begrenzt seien. Zugleich merkte er an, dass die ‚überschüssigen‘ Menschen, die zu schwach seien, um für sich selbst zu sorgen, durch Krankheit, Hunger und Not als Formen natürlicher Selektion von selbst absterben würden.
Damit wurde Malthus jedoch nicht nur zu einem Vorläufer der Darwinschen Evolutionstheorie („survival of the fittest“), sondern auch zu einem Vordenker der modernen Eugenik, die Bevölkerungskontrolle mit künstlichen Mitteln betreibt. Unter den Vertretern dieses Neo-Malthusianismus befindet sich Margaret Sanger (1879–1966), Eugenikerin und Mitbegründerin der US-Organisation Planned Parenthood sowie ihres deutschen Ablegers Pro Familia. Beide Organisationen existieren bis heute und spielen eine zentrale Rolle als staatlich anerkannte Beratungsstellen, die Abtreibung als legitimes Instrument der ‚Familienplanung‘ empfehlen. Nach der Mitte des 20. Jhs. gewannen neo-malthusianische ideen zunehmend an Öffentlichkeit, etwa durch das bekannte Buch des Biologen Paul Ehrlich mit dem Titel „The Population Bomb“ (1968). Eine weltweite, offizielle Relevanz erhielten sie 1972 durch den Bericht des Club of Rome, eines internationalen Expertengremiums für nachhaltige Entwicklung, in dem konstatiert wird:
„Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.“
Die Studie beruht auf einer statistischen Computersimulation und empfiehlt verschiedene soziale und politische Maßnahmen zur Eindämmung einer bevorstehenden „Bevölkerungsexplosion“, darunter auch freien Zugang zu Verhütungsmitteln und Familienplanung, wie sie von Planned Parenthood oder Pro Familia praktiziert wird, also einschließlich der Abtreibung: eine Praxis, die von der orthodoxen Kirche verurteilt wird.
Spätestens seit den 90er Jahren stellt sich aber heraus, dass die befürchtete weltweite Bevölkerungsexplosion nicht eintritt. Stattdessen verlangsamt sich das Bevölkerungswachstum weltweit und sogar in den sogenannten Entwicklungsländern. Der Bericht des Club of Rome mit dem Titel „Earth for All“ von 2022 betont dementsprechend, dass das zentrale Problem nicht im Bevölkerungswachstum liegt, sondern in einer ungleichen Ressourcenverteilung und dem übermäßigen Wachstum des Konsums in den Wohlstandsländern.
Die schleichende Bevölkerungsimplosion
In den letzten Jahren ist mit Blick auf den demographischen Wandel immer wieder die Rede von einer schleichenden Bevölkerungsimplosion, die auch für Deutschland zunehmend zum Problem wird. Schleichend ist diese Implosion deshalb, weil die Weltbevölkerung derzeit noch zahlenmäßig zunimmt, obwohl die Geburtenraten sich überall im freien Fall befinden. Laut Bundeszentrale für politische Bildung dürfte die Weltpopulation bis 2100 auf 10,3 Milliarden anwachsen. Für viele nach wie vor Grund genug, eine Überlastung des Planeten zu prophezeien.
Um ein Volk zu erhalten ist eine Reproduktionsrate von durchschnittlich 2,1 Kindern pro Frau erforderlich. Ein Blick in die Datenbank von Statista, dem deutschen Online-Portal für internationale Statistiken, zeigt: Weltweit hat nur noch Afrika mit 3,95 eine Fertilitätsrate, die diesen Wert übersteigt – Tendenz sinkend. Auch dort wird der Grenzwert voraussichtlich bis Ende des Jahrhunderts unterschritten. Asien ist schon jetzt bei einem Gesamtschnitt von 1,87 Kindern pro Frau, Europa bei 1,41. Deutschland weist für 2023/2024 z.B. eine Geburtenrate von 1,37 Kindern pro Frau auf, am höchsten in Europa liegt Bulgarien mit 1,81 Kindern. Schlusslicht ist Polen mit gerade mal 1,1 Geburten pro Frau im Durchschnitt. Das Gute an diesen Daten ist, dass sie wissenschaftlich sicher und belastbar sind, denn Geburt und Tod sind zweifelsfrei festzustellende Ereignisse.
Wie passt das mit dem absoluten Bevölkerungswachstum zusammen? Einerseits liegt die globale Fertilitätsrate noch mindestens bis 2050 nach wie vor leicht über der Bestandserhaltungsgrenze. Andererseits steigt die Lebenserwartung vor allem in den Entwicklungsländern stetig an. Das bedeutet, dass das globale Bevölkerungswachstum eng mit der demographischen Überalterung zusammenhängt. Die Trendwende wird allerspätestens im Jahr 2100 erreicht sein, wenn das natürliche Bevölkerungswachstum weltweit zum Stillstand kommt und mehr Menschen sterben als geboren werden. In Deutschland übersteigt die Zahl der Sterbefälle bereits seit 1972 die Zahl der Geburten. Die bis heute andauernde Bevölkerungszunahme ist also allein durch Zuwanderung bedingt. Diese dürfte aber nach jüngsten Flüchtlingswellen aus Syrien und der Levante sowie der Ukraine in den kommenden Jahrzehnten deutlich abnehmen, nicht nur weil Deutschland wirtschaftlich immer weniger attraktiv wird, sondern auch, weil der demographische Wandel in den Herkunftsländern ebenfalls um sich greift.
– Abbildung 3: Natürliches Bevölkerungswachstum weltweit (Quelle: Statista)
Der vielleicht bekannteste Mahner vor der demographischen Schieflage ist Elon Musk, der sogar von einem drohenden „Bevölkerungszusammenbruch“ („population collapse“) und einer „Gefahr für die Zivilisation“ spricht. Die Folgen dieser globalen, historisch nie dagewesenen Entwicklung werden jedenfalls das wirtschaftliche und soziale Gefüge unserer Staaten nachhaltig erschüttern. Denn in einer vergreisten Gesellschaft, in der immer weniger der Unterhalt und die Fürsorge der älteren Generation auf einer immer kleiner werdenden Zahl junger Menschen lastet, werden Armut und Elend bei der nicht mehr arbeitenden Bevölkerung zum Massenproblem. In Japan etwa, wo die Fertilitätsrate bei 1,23 Kindern pro Frau liegt, werden schon jetzt jährlich mehr Erwachsenen- als Kinderwindeln verkauft. Der Begriff Kodokushi („einsames Sterben“) ist ein geflügeltes Wort geworden. Und in Regionen mit besonders stark alternder Bevölkerung lag 2022 die Suizid-Sterberate von 23,7 pro 100.000, deutlich über dem nationalen Durchschnitt (17,5 pro 100.1000). Die auch in Deutschland immer lauter werdenden Debatten um Sterbehilfe und assistierten Suizid erweisen sich vor diesem Hintergrund als das, was sie sind: der Versuch, einem wachsenden Problem mit vermeintlich einfachen, aber letztlich erbarmungslosen und unmenschlichen Mitteln Herr zu werden.
Ursachen und Lösungsansätze
Der schottische Datenanalyst Peter J. Shaw hat versucht, das Phänomen der Fertilitätskrise zu verstehen und seine Ergebnisse zusammen mit seinem Team in einem zweistündigen Dokumentarfilm mit dem Titel „Birth Gap – Childless World“ (dt.: „Geburtenlücke – kinderlose Welt“) veranschaulicht. Seiner Auffassung nach sind die modernen Lebensumstände und die Fokussierung auf Bildung, Karriere und wirtschaftlicher Sicherheit in den Industrieländern der Schlüssel zum Verständnis dessen, warum immer mehr Menschen keine Nachkommen zeugen. Ein Eindruck, den er mit der Einblendung zahlreichen Interviews zu erhärten versucht. Dabei werde der Kinderwunsch von vielen nicht gänzlich ausgeschlossen, aber anderen Interessen untergeordnet – solange bis es zu spät ist. Ein zentrales Problem ist die Findung eines Partners, mit dem die Realisierung dieses Wunsches überhaupt erstrebenswert erscheint. Shaw schließt daraus, dass „ungeplante Kinderlosigkeit“ die Wurzel des Problems sei. Er fordert entsprechende Aufklärung und mehr Flexibilität in Bildung und Karriere, um jungen Menschen das Kinderglück zu ermöglichen. Unterschwellig wird in den von ihm geführten Interviews aber auch wiederholt kenntlich: es ist oft ein Mangel an Liebe, an Geduld, an Hingabe und Opferbereitschaft, der zum Aufschub oder zum gänzlichen Ausschluss des Kinderwunsches führt. Als Christ fühlt man sich an die Worte aus der Endzeitrede Herrn erinnert: „Und weil die Gesetzlosigkeit überhandnimmt, wird die Liebe in vielen erkalten“ (Mt 26,12). Denn nicht nur herrscht ein Mangel an Aufklärung über das Problem, die falschen Propheten der Überbevölkerung, die oft mit apokalyptischen Klima- und Umweltszenarien in Verbindung gebracht wird, haben ganze Arbeit geleistet dabei, jungen Menschen bezüglich dieses Themas zu verunsichern.
Immer mehr Staaten nehmen jedoch die demographische Krise zur Kenntnis und handeln entsprechend. China, mit seiner Ein-Kind-Politik einst als Vorbild der Geburtenkontrolle gefeiert, hat diese seit 2015 zugunsten einer Zwei- und später sogar Drei-Kinder-Politik aufgegeben, um der demographischen Überalterung und dem Arbeitskräfteschwund gegenzusteuern. In europäischen Ländern gibt es bereits Kampagnen zur Hebung der Geburtenraten, wie etwa in Dänemark unter dem Slogan „Do It for Denmark“ („Tut es für Dänemark“). Andere Länder wie Ungarn und Polen versuchen, durch steuerliche Entlastung und finanzielle Anreize die Reproduktionsrate anzukurbeln. Der teils durchaus feststellbare, aber nicht durchschlagende Erfolg solcher Maßnahmen zeigt, dass dieses zentrale Problem nicht allein mit politischen Mitteln zu lösen ist. Welche Verantwortung wächst hier der Kirche zu?
Herausforderungen für die Kirche
Die Herausforderungen für die Kirche sind, nach Ansicht des Autors dieser Zeilen, zweierlei: Zuerst muss sie in ihrer Verkündigung die Heiligkeit und Berufung der Ehe hervorheben und die Zeugung Nachkommenschaft als authentischen Ausdruck der gegenseitigen Liebe und Hingabe betonen. Sie muss junge Familien ermutigen, den Kindersegen als ein unschätzbares Geschenk aus Gottes Händen zu erbitten und freudig anzunehmen. Gott wird diese Botschaft und diese Bitte nicht unfruchtbar bleiben lassen. Es gibt zahlreiche Studien, die belegen, dass Religiosität und Kinderreichtum bei Familien miteinander korrelieren. Somit kann und soll die Kirche einen wesentlichen Beitrag zum Aufbau unserer Gesellschaft leisten. Sie hat ihr Vorbild in Jesus Christus selbst, der, umgeben von seinen Aposteln, „ein Kind in ihre Mitte stellte“ und sagte: „wer ein solches Kind aufnimmt, nimmt mich auf“ (Mk 9,37), und: „ihnen gehört das Königtum der Himmel“ (Mt 19,14).
Zweitens wird die Frage nach dem Umgang mit dem Thema Altern und Sterben immer relevanter und dringlicher. Die Pflege einsamer und verarmter alter Menschen wird langfristig zum vielleicht größten Feld der tätigen Nächstenliebe werden, in dem der Einsatz von uns Christen ganz besonders gefordert ist. Gegen das immer stärkere Vordringen von Sterbehilfe und assistiertem Suizid in den westlichen Gesellschaften ist entschiedener Widerstand geboten. In einem vergangenen Artikel wurde unter Berufung auf bischöfliche Äußerungen gezeigt, dass der Lebensschutz ein Schlüsselthema für die Berufung und Verantwortung orthodoxer Christen in der hiesigen Gesellschaft ist. Dieses Thema schließt auch den Schutz der Alternden und die Förderung der Vitalität künftiger Generationen ein, übrigens auch gegen jene moderne Form der Sklaverei, die sich Leihmutterschaft nennt. Der Schutz und die Sorge um das Leben von seinem Beginn bis zu seinem natürlichen Tod, um die Ungeborenen, die Kinder und die Alten muss uns eine heilige Pflicht sein. Denn: „Die Krone der Alten sind Kindeskinder, und der Kinder Schmuck sind ihre Väter“ (Sprüche 17,5).
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