„Der Maßstab für alles ist Christus“ – Schemarchimandrit Justin (Rauer)
„Maßstab für alles ist Christus“ – Schemarchimandrit Justin (Rauer) Foto: UOJ
Viele in Deutschland und weit über die Grenzen Deutschlands hinaus kennen den Schemarchimandriten Basilius (Grolimund). Er stammt aus der Schweiz, wurde von Heiligem Justin (Popovich) zum Mönch geschoren und verbrachte 11 Jahre auf dem Athos, wo er ein geistliches Kind des Heiligen Paisios von Athos war. Auf dessen Segen hin reiste Vater Basilius nach Deutschland, wo er das Kloster des heiligen Spyridon gründete.
Viele Jahre später wurde in der kleinen Stadt Unter-Ufhusen in der Nähe von Aiterfeld ein weiteres Kloster zu Ehren des heiligen Justin von Ćelije gegründet. Der Abt dieses Klosters und geistliche Sohn von Vater Basilius ist unser heutiger Gesprächspartner – Theologe, Übersetzer und Schemaarchimandrit der Serbisch-Orthodoxen Kirche in Deutschland Justin (Rauer).
Vater Justin, erzählen Sie bitte, wann Sie zur Orthodoxie gekommen sind.
Geboren bin in München, in einer katholischen Familie. Dementsprechend wurde ich katholisch getauft und bin dann mit 23 Jahren orthodox geworden, mit 26 bin ich zu Vater Vasilije gekommen.
Sind denn damals viele zur orthodoxen Kirche gekommen und wie hat sich das im Vergleich zu heute verändert?
Damals gab es natürlich auch Deutsche, die orthodox geworden sind, aber damals die Mehrzahl von ihnen aufgrund von Heirat. Sie haben einen orthodoxen Ehepartner geheiratet und sind dann selber orthodox geworden. Aber, dass Menschen direkt den orthodoxen Glauben suchen ohne diesen Hintergrund, das kommt jetzt natürlich viel häufiger vor.
Wir machen dieses Interview in den letzten Tagen vor Beginn der großen Fastenzeit. Wie würden Sie nicht besonders kirchlichen Menschen erklären, warum die Fastenzeit nötig ist und warum sie so streng und lang ist.
Die erste Frage lautet: Wo kommt das vierzigtägige Fasten her? das kommt natürlich von Moses, Elias und Christus selbst. Warum soll man fasten? Weil Adam und Eva nicht gefastet haben. Adam und Eva haben ein einziges Gebot gehabt und das war ein Fastengebot, nämlich von einem Baum nicht zu essen, sonst nichts. Und Adam und Eva haben dieses Gebot nicht gehalten und haben dafür die Vertreibung aus dem Paradies auf sich nehmen müssen, was wir am Sonntag ja feiern. Das Fasten erinnert uns daran, dass wir die Gebote Gottes halten sollen. Um die Gebote Gottes zu halten, braucht man einen entsprechenden Willen und, da die Kirche weiß, dass die Willenskraft der Menschen schwach ist, gibt sie uns die leichteste Aufgabe, wie auch Gott die leichteste Aufgabe gegeben hat, nämlich zu fasten. Wenn ich Ihnen zum Beispiel sage: Werden Sie mal vierzig Tage nicht zornig!
Dann werden Sie schon von vornherein sagen: Das das geht nicht, das kann man nicht schaffen. Aber Fasten kann man. Jeder, der möchte, kann die Fastenregeln einhalten, denn sie sind ja nicht so schwierig und Kranke, Alte und Kinder sind ja ausgenommen von diesen Regeln. Die können an diesen Regeln teilhaben, inwieweit es ihnen möglich ist, aber die Regeln sind für einen gesunden Erwachsenen überhaupt kein Problem, wenn er denn will. Das ist das Problem: Der Wille. Weil die Kirche als gute Pädagogin aber weiß, dass, wenn sie den Menschen auch weiterführende Gebote Gottes nahe bringen will, der Mensch erst die nötige Willenskraft ausbilden muss. Deswegen hat die Kirche das Fasten als niedrigste Stufe der Stärkung der Willenskraft. Wenn man auf dieser Stufe schon seinen Willen nicht üben will, muss man sich nicht wundern, wenn man nicht voran kommt im geistlichen Leben und deshalb legt die Kirche so viel Wert auf das Fasten. Das Fasten hat darüber hinaus auch noch die Bedeutung, dass es den Körper reinigt. Warum soll man denn nicht einmal im Jahr seinen Körper reinigen? Da ist natürlich auf der nördlichen Halbkugel, wo das Christentum ja zuerst Fuß gefasst hat, die Zeit am besten, wo sowieso nichts da ist. Kühlschränke gab es damals nicht und Konservendosen gab es damals auch nicht und die Vorräte vom letzten Jahr waren praktisch aufgebraucht, die neue Ernte war noch nicht da und das ist natürlich eine Zeit, wo man natürlich am besten diese Reinigung unterbringen kann.
Die Frage ist auch: Warum hat man gerade diese Regeln, die es gibt, eingeführt? Die sind historisch zu verstehen, weil die Kirche ursprünglich um das Mittelmeer herum angesiedelt war und da sind dann halt bestimmte Dinge in der Fastenzeit erlaubt, die heute eigentlich nicht mehr dazu gehören, zum Beispiel Meeresfrüchte sind erlaubt, aber sie gehören heute zu den Delikatessen. Da muss man sich natürlich fragen, ob dass noch sinnvoll ist, aber die Leute um das Mittelmeer wollten Fische fangen und das ganze Kleinkram, dass in den Netzen landete, galt als Abfall und natürlich durfte man „Abfall“ in der Fastenzeit essen. Das wichtige dabei ist aber, dass man der Kirche gehorsam ist, denn Adam und Eva waren ja ungehorsam und Christus war gehorsam. er sagt ja von sich selbst: ich bin gekommen, den Willen des Vaters zu tun. Der Heilige Apostel Paulus schreibt über Christus: Er war gehorsam, gehorsam bis zum Tod am Kreuz. Gehorsam kann man ja nur sein, wenn man macht, was ein anderer sagt und nicht, was man sich selber sagt. Viele Leute sagen zum Beispiel: Es reicht ja, wenn ich in der Fastenzeit keine Schokolade esse. Das ist auch eine gute Idee, aber das habe ich mir selbst gemacht und dann bin ich nicht gehorsam. Ich habe meinem Egoismus zwar eine Schranke gegeben, aber die habe ich mir wieder aus meinen Ego heraus gegeben. Und das ist dann nicht besonders gehorsam, das nützt mir nichts, das stärkt nicht meinen Willen. Wenn ich das tue, was ich sowieso will, bringt mich das ja nicht weiter. Weiter bringt mich, wenn ich das tue, was mir jemand anderes sagt.
So lerne ich Gehorsam, natürlich auf der niedrigsten Stufe: Auf dem Gebiet des Fastens. Natürlich hätten wir auch ganz andere Fastenregeln haben können, aber die haben sich halt herauskristallisiert und wir wissen ja durch die moderne Ernährungswissenschaft, dass die Asketen, die sich ja mit dem Fasten sehr ausgiebig beschäftigt haben, durch Erfahrung herausgefunden haben, was den Magen am meisten belastet, denn wenn Ihr Magen sich mit der Verdauung beschäftigt, braucht er Sauerstoff, den kriegt er aber nirgendwo so schnell her wie aus dem Gehirn. Der Magen zieht also Sauerstoff aus dem Gehirn und deswegen ist man nach dem Essen immer müde, weil das Gehirn nicht so viel Sauerstoff hat und die Asketen haben sich mit der Frage beschäftigt: was muss ich essen, damit ich möglichst schnell nach dem Essen wieder mit voller Gehirnkraft beziehungsweise voller Aufmerksamkeit beten kann. So sind also die Fastenregeln entstanden, die wir haben. Es ist zum Beispiel an manchen Tagen in der großen Fastenzeit Fisch erlaubt, nämlich zum Palmsonntag und dem Fest der Verkündigung, aber keine Milch- und Eierprodukte. Und die moderne Ernährungswissenschaft hat festgestellt, dass wesentlich weniger Energie benötigt wird, um Fisch zu verdauen, als zur Verdauung von Milch- und Eierprodukten.
Die Leute können natürlich sagen: Ein Fisch muss ja sterben, Milch und Eier müssen nicht sterben. Aber das war nicht die ursprüngliche Intention der Fastenregeln, sondern: Wann kann ich wieder aufmerksam beten? Das haben die durch Erfahrung herausgefunden und wir wissen jetzt auch wissenschaftlich, dass die Regeln eben genau dem entsprechen. Deswegen sind das auch keine sinnlosen Regeln. Wir verstehen vieles davon nicht, lernen es aber zu verstehen, wenn wir diese Übung machen. und was heißt Übung auf altgriechisch? das wissen die meisten, obwohl sie es nicht wissen. Das ist nämlich Askese, die Asketen sind Übende. Wir üben uns alle darin, Gott gehorsam zu sein und fangen mit dem einfachsten an, nämlich mit dem Fasten und Gott sagt: Wer im kleinen nicht treu ist, der wird auch im Großen nicht treu sein. Wer also meint, dass Fasten nicht wichtig sei, der belügt sich selbst und deshalb würde ich allen raten, sich doch mit dem Fasten anzufreunden, so wie die Kirche es anbietet, weil die Kirche genau weiß, welche geistlichen Segnungen man daraus gewinnen kann.
Heute gibt es in Europa und auch in der ganzen Welt die Tendenz, dass Menschen christliche feste ohne Christus feiern. Zum Beispiel wird aus „Christmas“ „X-mas“. Dasselbe geschieht auch mit dem Osterfest. Wie bewerten Sie diese Tendenz?
Christus sagt: Warum nennt ihr mich „Herr, Herr“ und tut nicht, was ich sage? Ich kann mich nicht als Christ bezeichnen, wenn ich nicht tue, was Christus sagt, sonst bin ich nur ein „Kulturchrist“, aber kein gläubiger Christ. Wenn ich das als solches zugebe, dann ist das ja gut, jeder hat ja die Freiheit bekommen und keiner nimmt ihnen die Freiheit weg, außer vielleicht totalitäre Staaten. Aber Gott gibt uns die Freiheit, er hat auch Adam und Eva die Freiheit gegeben Und er hat ihnen auch nicht die Freiheit weggenommen, obwohl er ja vorher schon wusste, was Adam und Eva tun würden und er hat es auch Nicht verhindert. Er hat Freiheit gegeben und mit dieser Freiheit kann der Mensch tun, was er will, innerhalb eines bestimmten Rahmens natürlich. Der Mensch kann natürlich nicht aus sich selbst heraus fliegen, aber innerhalb eines gewissen Rahmens hat er die Freiheit zu tun, was er möchte und Gott nimmt ihm diese Freiheit nicht. Auch ein anderer Mensch darf dem Menschen diese Freiheit nicht nehmen, nur ein Kulturchrist zu sein, aber er muss schon verstehen, dass er kein gläubiger Christ ist und dass er kein Teil der Kirche ist.
Das ist natürlich ein riesiges Thema, da gibt es sehr viele Möglichkeiten, wie man das auffächern kann. das hängt auch davon ab, ob man philosophisch zum Beispiel ein Materialist ist. Wenn es nur die Materie gibt, kann es keinen Gott geben. Dann hat man vielleicht Spaß an den Kirchengebäuden von früher, weil sie besondere Orte der Kraft sind oder weil sie einen kunstgeschichtlich begeistern oder alle möglichen Ideen, die man entwickeln kann, warum man in eine Kirche geht, in der kein Gottesdienst existiert. Man auch kann auch so Kulturchrist sein, dass man vielleicht in einen Weihnachts- oder Ostergottesdienst geht, aber nur um des Erlebnisses willen. All diese Möglichkeiten gibt es und Gott verbietet sie uns nicht, er möchte aber, dass wir ehrlich sind mit uns selbst und das wir uns auch verstehen als das, was wir sind und nicht als das, was wir nicht sind. Deshalb spricht er auch viele starke Wort zu den Pharisäern und Schriftgelehrten, indem er beginnt mit den Worten „Ihr Heuchler“. Wir sollen aber keine Heuchler sein.
Wenn wir wahrhaftig an Christus glauben, sollen wir auch seinen Willen tun. Wenn wir nicht an ihn glauben, sind wir keine Christen im eigentlichen Sinne. So sind wir in dem Bereich, wo wir leben, Kulturchristen, aber das gibt es ja überall. Es gibt auch Kultur-Moslems, Kultur-Hindus und Kultur-Buddhisten, die einfach nicht ihrer Religion folgen, obwohl sie in einem solchen Kontext aufgewachsen und natürlich geprägt sind, in dieser Religion.
Wenn wir schon über das Christentum ohne Christus reden, würde ich gerne noch das Thema der Spannung zwischen Konservatismus und Liberalismus ansprechen. Insbesondere in Bezug auf die Gender-Ideologie, das Verhältnis zu LGBT. Was können Sie zu diesem Thema sagen?
Wenn wir von Christus ausgehen - und das ist der einzige Weg, wenn man sich Christ nennt - weil wir lernen von Christus, was es heißt Mensch zu sein. Gott schuf den Menschen nach seinem Bild und zu seiner Ähnlichkeit. Das Bild Gottes ist das statische Element im Menschen und die Ähnlichkeit ist das dynamische Element im Menschen. Adam und Eva hatten das statische Element und waren eingeladen, das dynamische Element zu vervollkommnen, denn sie waren zwar das Bild Gottes, sie waren ihm aber nicht ähnlich. Die Ähnlichkeit muss wachsen und diese Ähnlichkeit wird auch nach unserem Tod immer weiter waschen, in die Richtung, die wir gegangen sind. das heißt, der Mensch ist mit einer ganz bestimmten Berufung in diese Welt gekommen und, wenn er seine Berufung nicht erfüllt, dann hat er zwar die Freiheit dazu, aber er verwirklicht sich nicht. Er wird nicht das, was er werden kann, er bleibt immer hinter seinem Potenzial zurück.
Dann heißt es „Gott schuf den Menschen, männlich und weiblich schuf er ihn“ da haben wir eine Dualität und nicht mehr. Wenn der Mensch Gott ähnlich werden will, dann muss er in der Art und Weise diesen Weg gehen, wie Gott ihm diesen Weg vorgegeben hat, nämlich als männlich und weiblich. Je mehr man sich von Gott entfernt, desto mehr erleidet man geistlichen Schaden und wenn man genügend geistlich geschädigt ist, erleidet man auch psychologischen Schaden, emotionalen Schaden und unter Umständen auch durch Krankheit leiblichen Schaden. Alles wird geholt durch Christus, der uns wieder die Möglichkeit gibt, da weiterzumachen, wo Adam und Eva aufgehört haben, nämlich bei der Ähnlichwerdung Gottes. Je mehr Schaden der Mensch schon erlitten hat, desto stärker ist seine Identitätskrise, weil er ja seine wahre Identität garnicht erkennt, die da ist, dass man ein Bild Gottes ist und ihm ähnliche werden soll. Das führt dazu, dass der Mensch, je nach Grad der Schädigung, sich nicht mehr mit sich selbst identifizieren kann und versucht, diese fehlende Identifizierung durch andere Dinge zu ersetzen.
Da haben wir dann das Problem von verschiedenen Gendern oder auch von verschiedene Hobbys, die den Platz Christi einnehmen, wenn man sich so sehr mit Hobbys identifiziert, dass da kein Platz mehr für Christus ist. Oder mit irgendwelchen Denkströmungen. Die Art und Weise, auf die man sich verzetteln kann, ist ja enorm. Aber zu sich selbst finden, kann man nur, wenn man Gott in sich Raum gibt, damit man Gott ähnlich werden kann. Das ist natürlich eine große Tragik. Es geht natürlich nicht darum, auf Menschen zu zeigen und sagen: Du bist falsch, sondern, wenn wir die christliche Botschaft wirklich ernst nehmen, ist es ein Problem der Selbstschädigung, wenn ich mich vom Bild Gottes entferne und der Weg zurück ist eben, zu Gott zurückzukehren. Das können wir den Menschen anbieten als Kirche, es nützt ihm aber nichts, wenn wir ihm sagen: Du bist gesund, wenn tatsächlich aber eine Schädigung vorliegt.
Das heißt aber nicht, dass nur die Menschen, die jetzt in den Vordergrund des Interesses gerückt sind, krank sind, wir sind ja alle krank. Und zwar hat jeder seine spezielle Mixtur von Krankheiten, aber das gehört eben auch zu den Krankheiten hinzu, dass man seine Berufung als männlich oder weiblich nicht findet.
Krankheiten kann man heutzutage auch in den kirchlichen Beziehungen beobachten. Es wird diskutiert über Kanonizität und Gesetzmäßigkeit, insbesondere in Bezug auf die Beschlüsse von Patriarch Bartholomaios zur „Behebung“ des kirchlichen Schismas in der Ukraine, ebenso wie den Einfluss von Vertretern bestimmter Staaten auf diese Prozesse.
Ich möchte zuerst einmal sagen, dass ich mich als Mönch garnicht in die Politik einmischen möchte, das ist nicht meine Aufgabe. Als Mönch ist es für mich wichtig, wieder den Blick auf Christus zu richten und die Dinge von Christus her zu verstehen. Dass wir die chaotische Situation in der Kirche haben, die liegt meiner Ansicht nach ganz einfach daran, dass Christus nicht in der Mitte steht. Christus ist nicht die Person, an der alles gemessen wird, sondern da werden zunächst einmal egoistische Ziele verfolgt, die dann sozusagen von Kanones untermauert, die es irgendwann mal gegeben hat. Diese Kanones wurden zu bestimmten Zeiten und unter bestimmten Umständen von der Kirche erlassen und nicht jeder Kanon ist ein Kanon, der unbedingt Allgemeingültigkeit für alle Zeit hat. Es gibt natürlich auch Kanones, die das haben, aber nicht alle.
Deswegen ist das Maß aller Dinge immer Christus und wenn Kirchenpolitik Christus verschwinden lässt, dann ist das Tor weit offen für jedes Durcheinander. Das ist ja auch der Name des Teufels: „Diabolos“ auf griechisch. „Dia“ heißt „durch“ und „bolos“ kommt von „balo“, was „werfen“ heißt von seiner wörtlichen Bedeutung. Also jedes Durcheinander kommt vom Teufel und wenn ich ihm die Tür öffne, wie Adam und Eva, indem sie Gott vergessen und ihren eigenen Willen in den Vordergrund stellen, bringe ich auch Durcheinander in die Kirche.
Natürlich sind Menschen, die Christus in den Vordergrund stellen, zu bewundern, besonders wenn sie dafür leiden. Alle Märtyrer haben das gemacht und auch die Ukraine produziert jetzt Märtyrer und Metropolit Onufrij ist glänzendes Beispiel dafür, wie man agiert, wenn man Christus vor Augen hat. Im Grunde genommen ist das ein Weckruf für alle anderen Hierarchen der Orthodoxen Kirche, dass sie sich an ihm ein Beispiel nehmen und alles versuchen von Christus her zu verstehen.
Dann würde es meiner Ansicht nach diese ganzen Schwierigkeiten garnicht geben. Probleme entstehen ja dadurch, dass erstmal die Hierarchen natürlich, aber auch das Kirchenvolk nicht an erster Stelle hat, den willen Gottes zu erfüllen. Dann kommt eben der Teufel, denn er hat Spielraum. Da wiederholt sich die Geschichte von Adam und Eva immer wieder. Da kommen wir noch einmal kurz zur Bedeutung des Fastens. Wenn wir fasten würden von unserem eigenen Willen und in allem den Willen Gottes suchen würden, was wir im Vater Unser zwar behaupten: „Dein Wille geschehe…“, aber wir meinen es oftmals ja garnicht ehrlich, weshalb diese ganzen Probleme entstehen. Die Heilung ist eben nur wiederum durch Christus, in Christus und mit Christus möglich. Es gibt keine andere Heilung. Politische Programme können vielleicht irgendeine Situation verbessern, aber sie können nicht heilen. Das betrifft alles menschliche: Auch die Psychologie kann sehr viel helfen, aber sie kann nicht heilen, um ein Beispiel zu nennen. Heilen kann nur Gott und nichtsMenschliches hat diese Kraft. Solange wir im Menschlichen verhaftet bleiben und in unseren menschlichen Ideen bleiben, haben wir keinen Erfolg. Das Vater unser sagt es uns ja: „Dein Wille geschehe…“, aber wie gesagt sind wir nicht wirklich daran interessiert.
Es steht mir ja nicht zu, über Menschen zu richten, das kann allein Gott, aber wir können uns natürlich zu Geschehnissen äußern. Christus gibt uns hierfür ein Kriterium, wenn er sagt: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen…“. Natürlich weiß der Patriarch Bartholomaios auch selbst, dass seine Handlungen keine guten Früchte getragen haben. Das Problem für ihn ist eben, wie er da herauskommt, ohne sein Gesicht zu verlieren. Das geht meine Ansicht nach nur, wenn er sich auf Christus zurückbesinnt.
Während wir dieses Interview aufzeichnen, werden Verhandlungen über die Ukraine und andere Krisengebiete abgehalten. Die Menschen sind müde von all den Kriegen und wollen Frieden. Wir können wir diesen Frieden erlangen?
Im Grunde genommen, ist der Friede keine Friede, sondern ein Nicht-Krieg, denn es wird genügend Leute geben, die sehr sehr unzufrieden sein werden. Den wahren Frieden, den erreicht der Mensch nicht. Wenn Sie die Liturgie betrachten, nachdem der Vorsteher der Liturgie mit dem Evangelium den Altar gesegnet hat („Gesegnet das Königtum…“), was ist dann die erste Bitte danach? „In Frieden lasset uns beten…“. Was ist die zweite Bitte? „Um den Frieden von oben…“. Die dritte Bitte? „Der Frieden der Welt…“. Was glauben Sie, warum die Liturgie so beginnt? Weil die Menschen keinen Frieden haben. Weil der Friede nur im Königtum Gottes existiert.
Aber das Königtum Gottes ist, seit Christus gekommen ist, nicht nur im Himmel, sondern auch auf dieser Erde, aber es wird nur realisiert in den Herzen derer, die Christus gehorsam sind und alle anderen bauen auch an einem Königtum, aber, wenn es nicht Christi Königtum ist, ist es immer etwas menschliches und wird nicht überleben. Das kann nicht überleben und es wird auch keinen Frieden bringen, deswegen kann es ja nicht überleben. Die Kirche weiß das genau, deshalb fangen diese Bitten so an. Und wenn sie ein bisschen aufpassen…: „Wieder und wieder lasst und in Frieden beten…“, Friede allen…“, „Erbarmen des Friedens, Opfer des Lobes…“. Der Friede ist eines der häufigsten Worte in der Liturgie, weil die Liturgie selbst eben das Königtum auf der Erde ist, währen wir diese Liturgie feiern, weil in diesem Königtum eben der Friede gefunden werden kann, aber es ist eben der Friede Christi und nicht ein menschlicher Friede. Und nochmal: Das heißt nicht, dass wir die Hände in den Schoß legen können und nichts tun können. Wir sollen ja arbeiten, aber Christus sagt: „Ohne mich könnt ihr nichts tun.“ Die Apostel waren auch voller Eifer, aber erst als sie den Hl. Geist hatten, waren sie erfolgreich.
Der Blick der meisten Orthodoxen ist nicht auf Christus gerichtet. „Ohne mich könnt ihr nichts tun.“ Natürlich sind wir gläubig und beten vielleicht auch unser Morgen- und Abendgebet. Aber die Frage ist doch, inwieweit wir uns verändern durch unseren Glauben und für die meisten Menschen gilt ja, dass sie sich sehr wenig verändern. Es liegt daran, dass sie zwar an Christus glauben, ihn aber nicht in den Mittelpunkt ihres Lebens stellen und solange man das nicht verstanden hat, solange passiert auch nicht viel und da braucht man eben etwas, das ich „Umgeisten“ nenne, denn Sie können auch noch so oft zur Beichte und bereuen. Sie können auch bestimmt Dinge tun, ich weiß nicht, 50 große Metanien machen für irgendwelche Sachen, aber das wird sie nicht verändern, wenn sie nicht den Fokus ihres Denkens ändern.
Wenn der Fokus ihre Denkens gleich bleibt, nämlich das, was Sie immer getan haben und dazu eben noch ein bisschen fromm sind, werden Sie immer ein bisschen fromm bleiben, aber nicht verändert werden. Das ist eben auch die Aufgabe der Liturgie: Den Menschen zu verändern, aber schauen Sie sich den Menschen an. Wie verändert er sich nach der Liturgie. Das heißt die Liturgie verändert im Großen den Menschen nicht, obwohl sie die Macht dazu hat, weil die Menschen nicht mitmachen wollen und das ist wieder die Geschichte von Adam und Eva. Adam und Eva hatten die Berufung von Gott her, ihm ähnlich zu werden, und wenn sie mitgemacht hätten, dann wären sie auch verwandelt worden. Weil sie nicht mitgemacht haben, wurden sie nicht verwandelt.
Wenn der Priester die Anaphora ließt, was man gewöhnlich nicht hört, weil er sie leise liest, dann heißt es dort: „Dein guter Geist komme über uns und auf diese vorliegenden Gaben…“. Warum denn zuerst über uns und dann auf die Gaben? Dann soll das verwandelt werden, die gaben in Leib und Blut Christi, aber wir in echte Christen, es ist also eine doppelte Verwandlung. Wir werden in Kinder Gottes verwandelt! Und wenn wir nicht mitmachen? Da muss das orthodoxe Denken ansetzen, immer von Christus her. Was will Christus von uns? Was Er von uns will, ist ganz einfach, das ist, wie schon gesagt, das, was er ganz am Anfang wollte, dass wir durch sein Bild fähig dazu werden, ihm ähnlich zu werden.
Das Ähnlichwerden war verhindert dadurch, dass die Sünde in den Menschen einzog und es wird wieder möglich durch Christus, der die Sünde, den Tod und den Teufel besiegt hat. Wir können, wenn wir an ihm kleben sozusagen, wieder in diesen Prozess der verächtlichen einsteigen. Das Wort „Kleben“ wird ja benutzt im Kommuniongebet. Wir haben das übersetzt mit „Anhaften“, weil Kleben ein bisschen profan klingt. „Mir aber ist es gut, Gott anzuhaften und auf den Herrn zu setzen die Hoffnung meiner Errettung…“ heißt es im letzten Kommuniongebet. Genau das ist es. Wenn wir diesen Prozess aber nicht vollziehen, wozu wir ja auch die Freiheit haben. Gott hat sie uns gegeben. Wir können entscheiden, wollen wir das machen oder wollen wir das nicht machen, wie Adam und Eva. Und es ist immer wieder Adam und Eva: Wir wollen das nicht machen. Deswegen werden wir auch nicht verwandelt und weil wir uns nicht verwandeln, verwandeln wir auch nichts. Das heißt aber nicht, dass wir nichts tun sollen. Wir müssen aber unsere Grenzen kennen. Die Grenzen überschreiten wir in Gott, das sagt ja der Psalmist: „In Gott überschreite ich die Mauer…“ Sonst stehe ich vor der Mauer und gucke dumm.
Dieser Artikel wird zuerst schriftlich auf unserer Website erscheinen, vielleicht auch in Audio-Format und danach wird das wahrscheinlich in sechs Sprachen übersetzt werden, also viele Menschen werden ihre Worte hören oder lesen können. Was haben Sie diesen Menschen zu sagen? Was liegt Ihnen auf dem Herzen?
Ich möchte sagen, was schon der Apostel Paulus gesagt hat: „Ich vergesse, was hinter mit liegt und strecke mich aus nach dem, was vor mir liegt, den Siegespreis vor Augen, jage ich nach der himmlischen Berufung in Christus Jesus.“ Amen.
Amen.
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