Künstliche Intelligenz: Eine christliche Sichtweise auf die Herausforderungen der Gegenwart

Neuronale Netze versklaven den Menschen. Foto: UOJ.

Die Entwicklung von Technologien, insbesondere solchen, die das Leben der Menschen drastisch verändern, hat schon immer zum Nachdenken über das Wesen dieser Erfindungen, die Verantwortung für die gemachten Entdeckungen und die Folgen ihrer Nutzung angeregt. Heute gewinnt das Thema künstliche Intelligenz an Brisanz. Die Technologie ist noch jung, verfügt aber bereits über einem enormen Potenzial und übt einen starken Einfluss auf Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft und natürlich auf das Denken und die Seele des Menschen. Daher entsteht unweigerlich die Notwendigkeit, dieses Phänomen aus christlicher Sicht zu verstehen.

Wessen Wille steht hinter dieser Technologie?

Beginnen wir mit der grundlegenden Frage nach der Natur der künstlichen Intelligenz. Ist sie nur ein passives Instrument oder hat es Merkmale eines Willens? Der Autor des Buches „Technopoly: The Surrender of Culture to Technology” (Technopoly: Die Kapitulation der Kultur vor der Technologie) von Neil Postman, untersucht diese Frage eingehend und kommt zu dem Schluss, dass keine Technologie neutral ist, sondern immer den Willen eines anderen in sich trägt. So wie Drohnen äußerlich den Anschein der Neutralität erwecken können, obwohl sie in Wirklichkeit den Willen des Bedieners oder Auftraggebers verkörpern, so verbirgt sich auch hinter einem neuronalen Netzwerk der Wille eines anderen.

Je schneller wir dies verstehen, desto schneller werden wir von einer oberflächlichen Begeisterung für Innovationen zu einem wirklich reflektierten christlichen Ansatz übergehen, bei dem die Hauptfrage lautet, wessen Wille dies ist und wie man seine geistige Freiheit und seine Subjektivität in der Kommunikation mit KI bewahren kann.

Die Absicht hinter KI ist eine direkte Folge der Weltanschauung ihrer Auftraggeber.

Das erste und offensichtlichste Interesse ist das Geschäft: Unternehmen sind darauf ausgerichtet, ihre Gewinne zu steigern, ihre Kosten zu senken und die Aufmerksamkeit der Nutzer zu gewinnen. Dies führt wiederum zu einem zweiten Interesse – der Entwicklung von Mitteln zur subtileren Kontrolle des menschlichen Verhaltens, von der Analyse der Nutzerpräferenzen bis zur Steuerung der öffentlichen Meinung. Algorithmen sagen nicht nur die Wünsche des Menschen voraus, sondern formen sie auch. Hier liegt nicht mehr nur ein wirtschaftliches Interesse vor, sondern das Streben nach Macht über den Verstand und den Willen, worin man leicht einen teuflischen Charakter erkennen kann.

Ein weiteres Ziel ist die ideologische Beeinflussung durch programmierte Protokolle, die Informationen auswählen und präsentieren und so ein bestimmtes Weltbild prägen.

Schließlich darf man auch den Faktor des technologischen Prestiges nicht vergessen: Staaten und Konzerne führen eine Art „Wettrüsten” durch, in dem Technologien zum Symbol der Macht und sogar zum Anspruch auf die Rolle des Schöpfers einer neuen Zukunft werden. Wenn der Wille, der hinter der Technologie steht, von der Gier nach Profit, Macht oder Ruhm getrieben ist, wird ihre Frucht unweigerlich von diesem teuflischen Geist befallen sein.

Wer ist wem hörig: die Illusion der Kontrolle

Die als Bequemlichkeit getarnte Technologie erscheint dem Nutzer nicht als Zwang. Im Gegenteil, der Mensch glaubt, dass er das neuronale Netzwerk steuert, indem er ihm Befehle (Anfragen) erteilt, aber in Wirklichkeit werden seine Handlungen und Entscheidungen von einem codierten System bestimmt. Er selbst wird im Grunde genommen zu einer „Drohne”, die von einem fremden Willen gesteuert wird.

Algorithmen, die anhand von Daten über das Verhalten von Millionen von Menschen trainiert wurden, sagen Wünsche voraus, formen Gewohnheiten und manipulieren Entscheidungen, wodurch der Einzelne zu einem vorhersehbaren Rädchen in einer riesigen Maschine wird.

Um dem entgegenzuwirken, ist ein bewusster Ansatz erforderlich: Technologien dürfen uns nicht zerstören, aber dafür muss unsere Subjektivität (die Fähigkeit zu unabhängigen, willentlichen Entscheidungen) proportional zu ihrer Komplexität wachsen.

Das Problem ist, dass das Feld unseres Nichtwissens über die künftigen Folgen viel größer ist als über die, die bereits jetzt sichtbar sind. Beispielsweise zeigt eine Studie, die in Jonathan Haidt's Buch „The Righteous Mind“ beschrieben wird, welchen zerstörerischen Einfluss Instagram auf das Gehirn von Mädchen im Alter von 15 Jahren hatte. Natürlich hatten die Entwickler des sozialen Netzwerks im Jahr 2010 keine bösen Absichten. Aber genau das ist passiert. Die Macht der Technologie wächst und sollte eigentlich mit großer Vorsicht und Verantwortung einhergehen. In der Praxis interessieren sich jedoch nur wenige Menschen für die Folgen in 10 bis 20 Jahren.

„Prothetisierung“ des Denkens und Ersatz des lebendigen Gesprächs

In der Vergangenheit haben viele Technologien den Menschen nach und nach ihre körperlichen Fähigkeiten genommen. Das Aufkommen der Tastatur hat die Fähigkeit zu einer schönen Handschrift verschlechtert, digitale Speichermedien haben das natürliche Gedächtnis geschwächt. Neuronale Netzwerke „prothetisieren“ buchstäblich das Denken und machen uns weniger fähig zur selbständigen Analyse. Studien bestätigen, dass die ständige Interaktion mit KI zu kognitiven Veränderungen führt: Der Mensch gibt gewissermaßen einen Teil seines Intellekts ab und wird von Algorithmen abhängig.

Der Hauptreiz von neuronalen Netzwerken besteht darin, dass sie die Kommunikation mit einem lebenden Menschen nachahmen. Aber es ist nur eine Imitation.

Echte Kommunikation mit einem Menschen erfordert Anstrengung, Demut, Liebe und die Fähigkeit, zuzuhören. Mit KI muss man sich nicht demütigen, gedulden und auch nicht nachgeben oder lieben. Sie ist unfehlbar – sie stimmt zu, lobt und passt sich dem Nutzer an.

Man kann sich nur vorstellen, welche Gefahr dies für die einzelne menschliche Seele, für die Institution der Familie und für echte emotionale Bindungen darstellt. Es ist nicht verwunderlich, dass in den Nachrichten immer häufiger über Fälle berichtet wird, in denen Menschen in einem Zustand psychologischer Verletzlichkeit „Ehen” mit KI-Partnern eingehen. Die jüngste Tragödie, die im Wall Street Journal beschrieben wurde, als ein Mann nach intensiver Kommunikation mit einem Chatbot Selbstmord beging, zeigt diese dunkle Seite deutlich. Die Maschine, die weder Mitgefühl noch Verantwortung hatte, unterstützte seine krankhaften Gedanken und trieb ihn nach Ansicht seiner Familie zu diesem fatalen Schritt.

Der christliche Weg zur Freiheit im Zeitalter der KI

Neuronale Netzwerke legen die Schwächen der menschlichen Natur bloß: Sie ersetzen das Denken, verdrängen echte Beziehungen, schaffen Abhängigkeiten, nutzen biologische Mechanismen aus und verzerren die Realität.

Für einen Christen ist es eine asketische Leistung, sich dem zu widersetzen. Sie besteht im Kampf gegen den Feind der Menschheit – den Teufel, der subtil vom Heil ablenkt, indem er den Menschen in sich selbst, in der Illusion der Allmacht, einsperrt.

Indem er schnelle Lösungen anbietet, nährt der böse Geist den Stolz und verleitet dazu, der Begegnung mit der wahren Selbst auszuweichen.

Wie schon vor Tausenden von Jahren schützt eine klare Weltanschauung, die definiert, wer ich bin, wem ich diene und wofür ich lebe, vor Manipulationen. Handarbeit, Handwerk und Sport stärken die Verbindung zur materiellen Welt. Die Fähigkeit zur Selbstreflexion, zur Beobachtung der eigenen inneren Bewegungen und zur Reue ist der Schlüssel zur Nüchternheit. Ein Chatbot behindert all dies, indem er dem Nutzer sagt, was er hören möchte.

Schließlich ist Fasten (Enthaltsamkeit) im digitalen Bereich ein universelles Mittel, um den Willen zu trainieren und dem Menschen seine Freiheit zurückzugeben.

Jede unserer Beziehungen zur KI sollte bewusst und willentlich sein, auf Beziehungen in der Realität ausgerichtet sein und nicht auf passiven Konsum. Der christliche Weg ist die Wahl der wahren Freiheit durch Glauben, Disziplin und die Priorität lebendiger Kommunikation, die zu Integrität der Seele und zum Schutz vor digitalen Fesseln führt.

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